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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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156 Drittes Kapitel.

auch im Kreise derer, welche noch nicht vom Skeptizismus ergriffenwaren, tiefe Niedergeschlagenheit. Ich aber war von der Erfolg-losigkeit der in Frankfurt begonnenen Dinge schon lange, vonAnfang au überzeugt gewesen; ich konnte dnrch die neuesten Wen-dungen nicht auf andre Gedanken kommen. Von der gesetzlichen Ent-wicklung etwas zu erwarten, hatte ich längst aufgehört oder vielmehrnie begonnen. Dagegen war ich allerdings in dem Irrtum be-fangen, daß die revolutionäre Bewegung zunächst nicht zum Still-stand kommen, ja daß sie von neuem sich erheben werde.

Der frische Geist, der in meiner nächsten territorialen Um-gebung herrschte, verführte mich zu diesem falschen Glauben, dererst einige Monate später traurigen Erfahrungen weichen sollte.

Hatte ich, anläßlich der Verhandlungen in der Paulskirche,soeben meineNachtgedanken" veröffentlicht, so hielt ich es jetzt ander Zeit, mit denMorgengedanken eines Reichsbürgers" hervor-zutreten. Den Anknüpfungspunkt gaben mir zunächst die Ver-hältnisse der nenen Präsidentschaft in der französischen Republik.

Seit der Wahl vom 10. Dezember waren die Dinge zueiniger Beruhigung gekommen. Und da Paris nach wie vor fürden Ausgangspunkt alles Anstoßes zu neuen Bewegungen galt,so schien anch für Deutschland die Ära der Revolutionsanffrifchuuggeschlossen. Gegen diese Resignation machte ich nun Front. Ichsuchte zu beweisen, daß die Welt nach allem, seit einem JahrGeschehenen, so leicht nicht wieder zur Ruhe kommen könne.Für die nächste Zeit hatte ich allerdings damit mich gründlichverrechnet, aber nach einiger Zeit kam doch zutage, daß, anknüpfendan 1848, die europäische Welt sich umgestalten solle.

Am Schluß meiner ersten Serie derMorgengedanken"heißt es:

Deutsche ! Die Weltgeschichte hat Euch die Thore geöffnet. WolltIhr umkehren, weil Euch der Weg zu laug ist? Saget nicht: das Liedist ans. Ich sage Euch: es geht erst recht an. Wo Ihr hinblicket, sehtIhr große Gedanken heranwälzen; Habsbnrg streckt die Arme auö nacheinem verjüngten Weltreich; Hohenzollern streckt die Arme ans nachDeutschland; und Napoleon weil er einen Monat sänmt, glaubt Ihr,er wolle i» vier Jahren vom Präsidentenstlihl steigen? Zu diesemAugenblick wird mehr Geschichte gemacht, als im Monat März. Schlaft nichtein, sonst macht man sie ohne Euch. Darnm fortgepredigt, sortgeschrieben,