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Viertes Kapitel.
geblieben war und von ihm argwöhnisch vor jeder Berührung mitmeiner, der mütterlichen Familie gehütet wurde. Der Vaterlebte in dem Städtchen Alzey , dessen Vertreter ich am Endemeiner politischen Lanfbahn beinah zwanzig Jahr lang werdensollte. Die Mutter, der meinigen Schwester, lebte bei ihren Ver-wandten bald in Mainz, bald in Antwerpen . In der Familiewebte sich im Lauf der Jahre ein geheimnisvoller Schleier umdie aller Berührung entzogene, im Verborgenen aufwachsendeTochter des in der unheimlichen Beleuchtung eines bösen Zauberersvorgestellten Vaters.
Einmal, als ein Annäherungsversuch gemacht wurde und dieMutter zu diesem Zweck nach Alzey fuhr, hatte ich als galanterGymnasiast und Neffe deren Begleitung übernommen. Das Kindwar damals vierzehn Jahre alt, ich siebenzehn. Zwei Jahre später,als ich im vierten Semester in Heidelberg studierte, erfuhr ich,daß der Vater, Josef Florian Belmont war sein Name, dieTochter nach Mannheim in eine Pension gethan hatte. EinesTages kam mir der Gedanke, hinüber zu fahren, um Schnee-wittchen wiederzusehen. Der Eindruck war gewaltig. Aus einemkleinen, mageren Backfischlein war eine üppige hohe Jungfraugeworden, mit Augen, die es Einem anthun konnten. Natürlichwar nach ganz wenigen Besuchen, die sich schnell wiederholten, einzärtliches Einverständnis hergestellt. Seinen Abschluß fand es,als ich im Frühling 1852, etwa acht Jahre später, in Rotterdam heiratete. Aber diese acht Jahre waren ein ewiger Kampf mitden trübseligsten Verwirrungen, unter denen das nun zwischenVater und Mutter hin und her geworfene uud von beiden aufsbitterste gequälte junge Wesen entsetzlich litt. Über diese Schick-sale, sowie über die wahrhast abenteuerlichen Kinderjahre meinerFrau, die der Vater blutarmen Bauersleuten anvertraut hatte,ließe sich ein Roman schreiben. Unsere litterarischen Freunde,denen sie manchmal Bruchstücke daraus mit einem reizendenDarstellnngstalent erzählte, bestürmten meine Frau unzähligeMale, sie möge diesen, ihren wunderlichen Lebeuslauf, zu Papierbringen; wie er in der elenden Stube eiues armen Bauernmusi-kanten, die im Winter auch die Ziege beherbergte, ansing und sich,nach langen aufreibenden Wirren, zu einer die geistige Welt einer