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Fünftes Kapitel.
lebte. Natürlich mußte ich ihm meine Schicksale erzählen, und daer in sehr guten Verhältnissen war, nahm ich anch keinen Anstand,ihm die Ebbe unseres Bentels zu verraten. Seine bereitwilligeHilfe stellte mir das für mich wie für Zitz Notwendige zur Ver-fügung. Später konnten wir uns auf Umwegen mit Mainz inVerbindung setzen.
In Basel zu bleiben, war nicht unsere Absicht. Vielmehrwollten wir zunächst uns in Zürich festsetzen.
Ich kam zum erstenmal in die Schweiz , hatte keinen weiterenGrund, den einen oder anderen Ort zu bevorzugen, wußte aber,daß Fröbel da noch halb zu Hause war und anch einen Bruderdort wohnen hatte, der eine Kunstgärtnerei betrieb. So entschiedenwir uns für Zürich . In Zürich nahm ich, immer gemeinschaftlichmit Zitz, ein kleines bescheidenes Logis vor der Stadt, am Uferdes Sees.
Da ich längst keine Hoffnung mehr auf einen glücklichenAusgang der deutschen Bewegung genährt hatte, so kam auch keiuSchmerz über die vollzogene Thatsache zum Ansbrnch. ImGegenteil; nach den aufreibenden und qualvollen Wochen derletzten Episode trat eine Art von Beruhigung und Erleichterungein, als man dem Tnmult und dem Elend entronnen war. Dieherrliche Natur der Schweiz , die ich bei dieser Gelegenheit zumerstenmal sah, in der günstigsten Jahreszeit, trug das ihre zurBesänftigung bei. Die Stadt wimmelte bereits von deutschenFlüchtlingen. Aber Zitz und ich hielten uns ziemlich einsamund führten ein höchst einfaches und frugales Leben. Wirhatten nns beide zur Regel gemacht, möglichst sparsam zu wirt-schaften. Zitz, weil er nicht wußte, ob man ihm sein nicht un-ansehnliches Vermögen herausgeben werde, nachdem er inAnklagestand versetzt worden, und ich, weil ich meinen nurmäßig vermögenden Eltern durch mein Verschulden möglichstwenig Ausgaben verursachen wollte.
Ich habe damals wie im späteren Verlauf Zitz immer be-wundert. Aus dem bis dahin mit glänzenden Einnahmen ausseiner Advokatur in Üppigkeit lebenden Mann wurde ein frugalerPhilosoph, der sich mit Heiterkeit in die kärgsten Gewohnheitenfügte. Mir wurde das leicht, denn wir waren als Kinder sehr