Druckschrift 
Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
Seite
201
Einzelbild herunterladen
 
  

Flüchtlingsleben in der Schweiz und in London .

201

wüßten, was das wäre, ein Prinzip! So sind wir um die Defi-nition unsres braven Gastfreundes ärmer geblieben, was ich nochheute, nach beinah einem halben Jahrhundert, nicht verschmerzthabe.

Unterwegs trafen wir allenthalben auf Flüchtlinge aus allendeutschen Landen, zum größten Teil in noch schlechterer Finanz-lage als wir. Einer, der sich eines vorzüglichen Humors erfreute,versicherte uns, er sei im Besitze nur eines einzigen Strumpfes,den er, um beide Füße zu schonen, alle paar Stuuden abwechselnd,bald dem rechten, bald dem linken zuteil werden lasse.

Zitz uud ich hatten beschlossen, uns vorläufig in Geuf nieder-zulassen. Wir mieteten uns wieder eine kleine Privatwohnung.

Eine der ersten Begegnungen auf der Straße war die mit meinemFreunde Friedrich Kapp . Das war uns beiden ein wahres Freuden-fest, denn wir waren seit Heidelberg gute Kameraden, von stetsgleichartiger Sinnesweise gewesen, und an wenig Menschen hatte ichvon der ersten bis zur letzten Stunde solche Herzensfreude, wiean dem schlanken, blonden, blauäugigen Westfalen, der stets vonguter Laune übersprudelte. Kapp machte sofort den Vorschlag,daß wir, um unsre letzten Schicksale auszutauschen, uns angesichtsdes blauen Sees auf der gastlichen Bank eines Estaminets nieder-lassen sollten, wo ich vor allen Dingen mit seiner neuesten Ent-deckung, den Verdiensten des Gewächses von Chablis, Bekannt-schaft machen mußte. In diesem Punkte auch machte er seinerblonden und blauen Farbe Ehre; zu einer gemütlichen Sitzungmußte die Flasche aus dem Tisch stehen und ganz entschieden derInhalt von Heller Farbe sein. Zumundeutschen" Roten mochte ersich nie bekehren. Er war kein Trinker, aber der frische Trunkgehörte zu seinem Behagen. Sein, durch die weitherzigste Gast-lichkeit berühmter kleiner Haushalt in Newyork war bekannt fürden zwiefältigen Zapf, den es da gab. An gewöhnlichen Tagengab ervom einen", bei besondren Anlässenvom andren".Vater Zitz, sein Sozius in Amerika , ein feiner Sachverständiger,sorgte zu jener Zeit für die richtige Beschaffung.

Nachdem wir uns wechselseitig unsre letzten Irrfahrten be-schrieben, erzählte mir Kapp, daß er hier eine sehr angenehmeStellung als Erzieher bei einem, aus seinem Vaterland verbannten