Druckschrift 
Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
Seite
209
Einzelbild herunterladen
 
  

Flüchtlingsleben in der Schweiz und in London .

209

lange über Mitternacht umher nnd wälzte die Frage, was nunwerden sollte, im Kopf herum.

Von verschiedenen Plänen, die geschmiedet wurden, kamendlich einer zur festeren Ausgestaltung. Der Blick der Flücht-linge war begreiflicher Weise vor allem nach Amerika gerichtet.Auch Kapp und Zitz trugen sich mit der Idee, dahin zu zieheu,denn die Stellung bei Herzen, so angenehm sie war, konnte fürKapp, der, wie ich, ein ihm in der Stille angelobtes Mädchenin der rheinischen Heimat zurückgelassen hatte, keine Versorgungbieten. Zitz sehnte sich nach seiner juristischen Praxis zurück.So machten wir den Plan zu einer internationalen Advokaturin Newyork und gemeinsamer dreifacher Assoziation. Es wurdebeschlossen, daß Zitz und Kapp über London vorausgehen und inAmerika das Terrain sondieren sollten; ich behielt mir vor, dannnachzufolgen. Mit dieser Verabredung reisten die beiden vonGenf ab.

Hierher war mittlererweile mein alter Freund HeinrichBernhard Oppenheim gekommen, der sich am badischen Aufstandbeteiligt, d. h. eine Stellung in der Karlsruher Regierung au-genommen hatte. Ihn zog es mehr nach Bern zurück, von woer gekommen, und wo in der Bevölkerung wie in der Flüchtlings-welt das deutsche Element überwog.

Ich ließ mich bereden, mitzugehen, und wir nahmen nun inBern gemeinsam eine Wohnung. Hier war auch die Blüte derLinken aus dem Frankfurter, später Stuttgarter Parlament ver-sammelt. Vor allem bildete Karl Vogt den Mittelpunkt, dessenVater Professor der Medizin an der Universität und praktischerArzt war. Hier waren Löwe-Kalbe, der letzte Präsident desStuttgarter Parlaments, Johann Zakoby, Lndwig Simon vonTrier, auch der blutrote kölnische Advokat D'Ester von derRheinischen Zeitung ", Mitglied der preußischen Nationalver-sammlung, endlich eine Anzahl österreichischer Flüchtlinge.

Man kam des Abends in einer echt deutschen Kneipe zu-sammen, und das Gesprächsthema war von selbst gegeben. DerGalgenhumor beherrschte natürlich die Stimmung, und derFlüchtlingsklatsch lieferte die Zubuße. Zukunftsillusionen und

BambergerS Erinnerungen.