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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Fünftes Kapitel.

meister von Befanyon und etliche Jahre darauf Mitglied desSenates, in dein er noch heutigen Tages sitzt. Zu verschiedenenMalen habe ich aus mittelbarem Wege zu erkunden gesucht, ober zu den wenigen französischen Republikanern gehört, die einemDeutscheu verzeihen, daß die Schlacht bei Sedan den ihnen ver-haßten Despoten Napoleon gestürzt und die von ihnen ersehnteRepublik ins Leben gerufen hat. Aber ich habe es nie fest-stellen können und mich deshalb nie unterfangen, ihm direkt zusagen, welch dankbares Andenken ich ihm bewahre. Sollte, wasallerdings unwahrscheinlich ist, irgend ein Franzose dies lesenund ihm ein Wort davon wiedersagen, so würde er mir damiteine herzliche Freude machen'').

Nachdem ich an allen Orten, wo wir umspannten, demregelmäßig da postierten Gendarmen meinen Paß hatte vor-zeigen müssen und ihn zum letztenmal in Calais behufs derEinschiffung visiert bekommen hatte, landete ich endlich im freienEngland , wo niemand danach fragte.

Ich fand Unterkommen bei meinem Bruder, der ein paarhübsch möblierte Zimmer in Osnabnrghstreet, Regents Park, beieinem Tapezierer bewohnte.

Zweierlei war dem freundlichen Landlord an mir etwassonderbar. Erstens, daß die Briefe, die an mich gelangten, denDoktortitel trugen. Außer den Medizinern haben nämlich nurnoch die Theologen zuweilen diesen Titel, und so hielt mich derbrave Wirt eine Zeitlang für einen Reverend. Wenn ihm dies 'einigen Respekt einflößte, so war ihm mein, obwohl durchausnicht wilder Vollbart sehr schmerzlich. Es war nämlich damalsnoch nicht gestattet, etwas anderes als einen Backenbart zu tragen,nur für Militärs einen Schnurrbart, doch gehörte das zuden seltenen Ausnahmen. Auch aus dem Kontinent waren

5) Diese letzte Episode hatte ich im September 1893 schon in derNation"erzählt. Alsbald gingen mir von vier verschiedenen Seiten aus Frankreich Briefe zu, die mir mitteilten, daß ihre Verfasser Herrn Ondet von meinerErzählung Kenntnis gegeben hätten, nnd bald daraus erhielt ich von ihmein Telegramm, in welchem er mir seinen tief empfundenen Dauk für meinGedenken ansfprach- Gesehen hab ich ihn nicht. Er soll sehr harthörig undauch sonst etwas wunderlich geworden sein.