Fünftes Kapitel.
Schatten. Der Prinz Gemahl, Albert, obgleich bereits seiteinem Jahrzehnt mit Viktoria verheiratet, mußte zur An-preisung alles Verkäuflichen herhalten. Prinz Albert -Hüte undPrinz Albert -Schuhe und alles, was der Mensch zwischen diesenextremen Bekleidungsstücken für seine Person braucht, trug in allenLäden dies unvermeidliche Epitheton.
Das Schönste aber, was ich von Loyalität erlebte, warfolgendes. Eines Tags wollte ich eine der Sehenswürdigkeitenin Augenschein nehmen, die ich bis dahin vernachlässigt hatte,das berühmte, noch heute bestehende Wachsfigureukabinet derMadame Tusfaud, in welchem alle Berühmtheiten der Welt leib-haftig dargestellt waren; besonders aber alle scheußlichen Ver-brecher, in einem besonderen Saal vereinigt, genannt die Schauer-kammer, tks Lb^rabör ok Horrors. Als ich mich an jenem Tagder Kasse zuwenden wollte, fand ich sie zu meiner Überraschungverschlossen. Auf meine Frage, welche Bewandtnis es damit habe,ward mir die Antwort: Sie wissen, daß gestern die KöniginMntter (Wittwe Wilhelms IV.) gestorben ist. Infolgedessen sindwir beschäftigt, sämtliche Figuren in Trauer zu kleiden (s.U tobö o1g.ä ill raouruinZ) und dieser Arbeit wegen ist heute ge-schlossen. Da ich zeitlebens wenig Energie für die Bekanntschaftmit Sehenswürdigkeiten gehabt habe, so fand ich auch uicht die,ein zweitesmal nach den Verbrechern zu sehen, die damals ihrloyaler Schmerz um die Landesmutter meinen Augen entzogenhatte, und so bin ich um jene Bekanntschaft ärmer geblieben.
So viel wie thuulich suchte ich, mit dem politischen Leben undmit dem Volkstreiben bekannt zu werdeu, besuchte das Parlament,die Gerichtshöfe, die Meetings. In einem solchen hörte ich einenlangen Vortrag Cobdens, dessen schlichte und durchsichtige Art zureden, mir die größte Freude machte.
Viel lernte ich im Verkehr mit den Omnibuskutschern, dieich täglich genießen konnte, als ich später ins Geschäft trat undmorgens und abends vom Westend nach der City und zurück-fuhr. Sie waren durchgängig gutmütig uud höflich, wie auch diePassagiere. Wenn ich mir meinen menschenfreundlichen Engländervorstelle, erscheint er mir noch heute immer unter dem Zeicheneines älteren Mannes, den ich im „Bus" treffe.