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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Kaufmännische Lehrjahre. 225

lebhaft hingezogen fühlte, und namentlich die Juden, welche Frank-reich ihre bürgerliche Befreiung verdanken, der strenge Sinn derkleinen Frau vor dem frivolen Geist, den namentlich auch diejüngeren Offiziere der ununterbrochen durchziehenden Heeres-massen zeigten, Abscheu empfand und den Deutschen zuneigte.Daran konnte sie sogar eine persönliche Unannehmlichkeit, die sievon dieser Seite erfuhr, nicht irre machen. Als infolge des erstenPariser Friedens die deutschen Truppen in Mainz einzogen,erlaubten sie sich, gegen die als jakobinisch verschrieenen Einwohnerviele Ungebührlichkeiten, während vorher die französische Einquar-tierung, namentlich beim weiblichen Teil der Bevölkerung, fürihre Liebenswürdigkeit berühmt war.

Bei der Wittwe, die eben erst, während der Blockade, dasFamilienhaupt verloren hatte, wurden deutsche Soldaten ein-quartiert, die frechen Unfug trieben. Da der Oberst des be-treffenden Regimentes zufällig in derselben Straße Wohnunggenommen hatte, so entschloß sich die geplagte Frau kurz undbegab sich zu ihm und flehte ihn um Hilfe an. Aber der Grobiannahm sie auch noch beim Arme und schob sie zur Thür hinaus.Nun glaubten die Ihrigen sie von ihrer Vorliebe kuriert, aber sieerklärte, daß diese einzelne Erfahrung ihrer Überzeugung nichtsanhaben könne.

Von ihrer elterlichen Gewalt war sie so durchdrungen, daßsie deren unbegrenzte Macht über die intimsten Angelegenheitenihrer längst verheirateten und selbständigen Söhne zu erstreckenverlangte.

Ihr ältester Sohn war bereits seit einer Reihe von Jahrenan der Spitze eines ausgebreiteten Bankgeschäftes und hatte einenSohn von etwa sechszehn Jahren. Er wurde in Amsterdam voneinem Hauslehrer erzogen, und Lehrer und Zögling wußten demVater als wünschenswert vorzuschlagen, daß zur höheren Aus-bildung der junge Mann nach Paris zum Besuch der LeolsLsntralö geschickt werde. Der Vater schrieb seiner Mutter vondem Vorhaben, die bei dieser Nachricht ihre entschiedene Miß-billigung aussprach und ganz richtig erriet, daß der Plan vondem Lehrer ausging, der sich von dem Aufenthalt in Paris fürfeine philologischen Studien und seine spätere Laufbahn großen

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