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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Kaufmännische Lehrjähre. 231

Avigdor war mehr aus Gefälligkeit gegen seinen mächtigenSchwiegervater, als wegen seiner Qualifikation in die Firma auf-genommen worden. In dem fremden Lande glaubte man, mittelstdieser Verbindung leichter Wurzeln schlagen zu können. Aber erzeigte sich doch so bald als ausschließlich lebenslustiger Kavalier,daß man ihn mit guter Manier wieder los wurde. Der Glanz-punkt seines Lebens war, daß er einmal in seinem, damalszum Königreich Sardinien gehörenden Heimatlande ein un-blutiges Duell mit dem noch in der journalistischen Laufbahnbefindlichen Cavonr gehabt hatte.

Avigdor war durch seine Lebensweise aus gauz natür-liche Manier mit Lonis Napoleon in Berührung gekommen,als dieser nach seiner Flucht aus Ham in London eineAnzahl üppiger Lebemänner, zn denen auch Herzog Karl vonBraunschweig gehörte, um sich sammelte; nach Errichtung desKaiserreichs benutzte er die frühere Verbindung, mn sich von derRepublik San Marino zum Gesandten am Pariser Hof ernennenzn lassen, mit dem Titel eines Herzogs von Acqna viva. Doch hater es nicht dazu gebracht, unter den abenteuerlichen Glücksrittern,die sich in jener Sphäre sammelten, durch etwas Besonderes her-vorzustechen. Seine Gattin, eine hochgebildete Frau, hatte sichlängst von ihm getrennt. Er war ein bildschöner Mann von an-genehmen Manieren. In den seltenen Augenblicken, wo er aufdem Bureau erschien, gewährte es ihm auch Zerstreuung, sichmit mir über Allotria zu unterhalten.

Der führende Chef des Hauses war obenerwähnter Gold-schmidt. Es war auch das für mich eine sehr glückliche Fügung,denn er war, wie ich, von Hause aus Jurist, hatte in Heidelberg seinen vootor ntrius^us absolviert und war dann ans freienStücken in die Finanz übergetreten. Nicht bloß das; er war zugleichein gründlich humanistisch gebildeter Mann mit lebendigem Sinnfür Politik nnd Wissenschaft. So hatte ich einen Prinzipal, derdas Bittre, was für mich die Bekleidung einer Lehrlingsstellehaben mußte, sehr wohl mitfühlte uud sein mögliches that, michdamit auszusöhnen.

Das erste, was ich zu thun hatte, um meine Wandlung zubethätigen, war, mich auch äußerlich ihr anzupassen. Der an-