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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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230 Sechstes Kapitel.

Man kann sich denken, daß aus der Zusammensetzung dieserentgegengesetzten Methoden ein leistungsfähiges Ganzes erstand,aber auch freilich nicht ohne Reibungen, weil man sich gegenseitigbald des leichtfinnigen Dransgehens, bald der zaudernden Be-dächtigkeit anklagte.

Diese kurzen Andeutungen mögen genügen, um zu erklären,daß es nicht gewöhnliche Umstände waren, die mich zu dem Ent-schluß bestimmten, als Sechsundzwanzigjähriger sozusagen wiederein Anfänger zu werden, und auf einem Gebiete, gegen das ich,wie die meisten Studierten, ein Vorurteil hatte, um so mehr, alsmein Sinn ehedem stark nach der akademischen Laufbahn gestrebthatte. Ich durfte aber hoffen, daß mir die Peinlichkeiten einesfolchen Übergangs nicht nur durch die verwandtschaftlichen,sondern ebenso durch die intellektuellen Sympathien meiner Patronewesentlich gemildert werden würden. Auch habe ich mich darinnicht getäuscht.

Das Bankhans Bischoffsheim hatte damals seine Hauptsitze anvier verschiedenen Plätzen. In Amsterdam war, wie erwähnt, dasStammhaus. Doch war der Stifter seit dem Jahre 1848 von daweggegangen, und hatte nur einen Stellvertreter zurückgelassen.Er selbst stand jetzt an der Spitze eines neu etablierten Hauses inParis. In Antwerpen funktionierte das an zweiter Stelle seitlängerer Zeit gegründete Geschäft. In Brüssel bestand zwar keineoffizielle Firma, doch war auch hier durch den Sitz des jüngerenBruders ein Herd thätiger Mitarbeit gegeben.

Endlich hatten die beiden Brüder Bischoffsheim gemeinschaft-lich mit einem Schwager, Goldschmidt, seit einer Reihe von Jahrenin London ein Bankhaus errichtet. Alle diese fünf Hänser warenzn gemeinsamer Arbeit verbunden. So ergab es sich von selbst,daß ich meine Lehrzeit in London antrat, wo ich mich ebenbefand.

Die Firma hieß damals Bischoffsheim , Goldschmidt undAvigdor. Letzterer gehörte einer damals florierenden, in Nizza ansässigen Familie an, und war der Schwiegersohn eines der an-gesehensten englischen Finanzleute, der in der City eine großeStellnng einnahm, Sir Jsaac Lyon Goldsmidt's, dessen Sohn alsJnrist und Mitglied des Unterhauses später eine Rolle spielte.