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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
Seite
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Kaufmännische Lehrjahre. 229

seiner Entwicklung hart empfnnden hatte, mühsam den Mangeleines so früh unterbrochenen Lehrganges nachznholen. Man konntean ihm beobachten, wie bei richtiger Begabung und ernstem Strebendas Leben zu wahrer Bildung wenigstens eben so gut zu führenvermag, wie das theoretische Studium, in vielen Fällen sogarbesser. Der Gelehrten- und Beamtendünkel, welcher namentlich inDeutschland diese Wahrheit nicht ahnt, hat der politischen Entwick-lung Deutschlands schweren Schaden zugefügt, besonders da derkaufmännische und gewerbliche Beruf sich von diesem Dünkel im-ponieren läßt nnd nicht wagt, den ihm gebührenden Platz zubehaupten.

Ich habe hier von dem jüngeren der beiden Brüder Bischoffs-heim eine kurze Skizze entworfen, weil er mir der ganzen Geistes-richtung nach immer besonders uahe stand, uud weil er auch zuerstmich veranlaßte, die geschäftliche Laufbahn zu betreten; es eignete sichüberdies eben wegen der.Stellung, die er im öffentlichen Leben ein-nahm, seine Figur am meisten zu solcher Skizzierung. Doch wäreauch von dem älteren Bruder viel Bedeutsames und Vorteilhafteszu fagen. Meine geschäftliche Ausbildung verdankte ich sogar vor-zugsweise ihm, da ich während meiner Pariser Thätigkeit dreizehnJahre lang, von 1853 bis 1866, unter ihm und mit ihm zu-sammenarbeitete.

Beide Brüder waren eminente Köpfe und für die finanziellenAufgaben großartigen Maßstabes gleich begabt. Dennoch warensie in der Art, diese Aufgaben zu erfassen, grundverschieden.

Der ältere Bruder griff die Sachen in rascher Konzeptionan, uud begann sie zu gestalten, ohne sich ein deutliches Bild derkünftigen Weiterentwicklung im einzelnen zu machen. Er verließsich auf seine erfinderische Kraft, um, einmal unterwegs, immerdas richtige zu treffen, bei entstehenden Verlegenheiten sich durcheine geschickte Wendung zu helfen. Eine fabelhafte Kombinations-gabe unterstützte ihn dabei. Der jüngere verfnhr gerade um-gekehrt. Sobald er einer Sache näher trat, begann er damit, siemethodisch vor sich auszubreiten, sich alle Fragen auszuwerfen, dieaus ihrer Behandlung entspringen konnten, alle möglicherweisekünftig auftauchenden Eventualitäten im voraus zu erkennen undfür ihre richtige Erledigung zu sorgen.