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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Sechstes Kapitel.

zösischen Boden noch nicht länger betreten hatte, als während derReise von Besanyon nach Calais .

Ein günstiger Znfall wollte, daß die Sammlung des längsteingegangenen französischen Journals von der Bibliothek desdeutschen Reichstages erstanden wurde, und so konnte ich nachbeinah einem halben Jahrhundert zum erstenmal meinen durchzwei Nummern gehenden, uu gezeichneten, Artikel wieder

lesen, natürlich mit andrer Benrteilnng als zur Zeit, da er ge-schrieben wurde, aber ohne Mißempfindung, sowohl über denInhalt als über die Sprache, die ich in der Hauptsache bereits zubrauchen verstand, ehe ich sie im Lande selbst zu pflegen Gelegen-heit gefunden hatte.

Schon vor meinem Eintritt in das Geschäft war mein jüngererBruder aus dem Londoner Haus abberufen worden, nm die Leitungder Antwerpner Firma zu übernehmen. Nachdem er einige Monatein dieser Stellung gewesen, und zu der Überzeugung gelangt war,daß er definitiv darin bleiben werde, schrieb er mir, daß nachseiner Ansicht es besser und angenehmer sür mich sein werde, meineLehrzeit unter seiner Führung fortzusetzen; und ich ging dankbarauf diesen Vorschlag ein. So nahm ich im Juli 1850 Abschiedvon England und siedelte nach Belgien über.

Bei der Landung in Ostende fand ich die, welche ich jetztmeine Braut nennen konnte, in Begleitung ihrer Mutter. Wirkonnten jetzt ein frohes Wiedersehen seiern, denn mein auf einepraktische Laufbahn mit voraussichtlich nicht weit abliegendemErsolg gefaßter Entschluß, eröffnete uns endlich einen Ausblick,der den Alp der letzten Jahre fürs erste von uns nahm.

Es waren glückliche Tage, die ich in Ostende verlebte. Auchmancher deutsche Freund und Exilsgenosse stellte sich dazu ein,vor allem Moritz Hartmann und Theodor Althaus . Dieser vor-treffliche, zu früh hinweggeraffte junge Mann hatte eben inder Heimat eine mehrmonatliche Gefängnisstrafe wegen irgendeines unbedeutenden politischen Vergehens abgesessen. Siewar so nachteilig sür seine Gesundheit geworden, daß wederOstende noch eine darauffolgende Kaltwasserkur ihm Heilungbringen konnte. Er war ein feiner Kopf; seine lyrischen Gedichte,die in einem Band (Gedichte von Theodor Althans, als Manuskript