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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Kaufmännische Lehrjahre,

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hatte, sagte mir dieser andren Tages vorwurfsvoll:Aber wiekönnen Sie mir einen Menschen zuführen, der eine so widerwärtigeArt zu reden hat?" Doch einige Wochen daraus sprach er mirbegeistert von dem angenehmen und interessanten Umgang mitdiesem lebhaften und geistfprndelndeu Menschen.

Oppenheim hatte ein Konversationstalent, wie man es seltenin Deutschland findet. Mit ihm war man sicher, daß die Unter-haltung nie stockte, und oft schäumte sie von Witz und bunten Ein-fällen und Erzählungen. Daher ward er auch, als er später eineReihe von Jahren in Paris lebte, in der dortigen litterarischenWelt ein sehr gern gesehener Gast. Er schrieb das Französischefließend, sprach es ebenso, aber auch mit der Frankfurter Cau-tilene.

Die Quelle seines großen Konversationstalentes war seinlebendiger Sinn für das Psychologische, welches der Unterhaltungs-gabe überhaupt zu Grunde liegt und die der Franzosen erklärt.Bei Oppenheim war das Interesse am menschlich Charakteristischenausgebildet bis zum Exzeß. Daraus entwickelte sich eine Kennt-nis von Personen uud persönlichen Verhältnissen, die ans Komischestreifte. Wenn ein unbekannter Mensch oder Name austauchte,so brauchte man sich nur an Oppenheim zu wenden, um weiteresüber ihn zu erfahren. Ich nannte ihn den Coucierge vonEuropa . Aus seinem Menschensinn entwickelte sich ein warmerFrenndschastssinn. Berthold Anerbach bezeichnete ihn als einGenie der Freundschaft.

Da noch ein sehr ausgesprochener Zug nach dem Weiblichenbesonders damit verbunden war, so gab das oft ein etwasstarkes Gebräu, und die Lust am Mitteilen, wie die Redseligkeit,ging dann manchmal mit der Phantasie dnrch und über dieGrenzen der Diskretion hinaus. Scholz, vomKladderadatsch",travestierte auf ihn den Vers:Ich schnitt es gern in alle Rindenein, ich sagt es gern an Heinrich Oppenheim ".

Er war der erste, der Laskers Talent entdeckte, und ihn insöffentliche Leben hineinzog. Das geschah in den sechziger Jahren,in der Konfliktszeit, als beide eines Abends, ohne einander auchnur dem Namen nach zu kennen, in Frankfurt am Main in derEisenbahn zusammenzusitzen kamen, nm nach Berlin zn fahren.