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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Sechstes Kapitel.

Zufällig kam ein Gespräch in Gang, und dem um zehn Jahreälteren, iu Politik und Schriftstellern erfahrenen Mann fiel derjüngere durch den Inhalt der Gedanken so auf, daß sich darauseine die ganze Nacht dauernde Unterhaltung entwickelte. InBerlin angekommen, fragte Oppenheim den Gefährten nach seinemNamen und forderte ihn auf, etwas für die von ihm redigiertenDeutschen Jahrbücher" zu schreiben. Lasker lieferte in der Thateine Reihe von Aufsätzen über Preußische Verwaltung, nndwurde von Oppenheim angetrieben, sich an politischen Zusammen-künfte» zn beteiligen. Im weiteren Verlauf entwickelte sich darausLaskers Kandidatur und parlamentarische Laufbahn.

Oppenheim war ein guter Publizist, auch hat er in seinemFach, der Rechtsphilosophie und dem Völkerrecht, ganz respektableLehrbücher verfaßt. Aber er schlug uie ein. Karl Vogt , der ihnnicht leiden konnte, wendete aus seine Schreibweise das GoethescheWort an:Es keimt vertrocknet auf".

Noch weniger Glück machte er als Parlamentarier. Nachsehr vielen Versuchen gelang es ihm ein einziges Mal, gewählt zuwerden. Den Ton für die Massen zu treffen, war ihm nichtgegeben, und die Geistesverwandtschaft der breiteren Massendraußen mit den engeren in der parlamentarischen Arena zeigtesich an diesem Exempel. Im Reichstag kam Oppenheim, alser in der Periode von 1874 bis 1877 endlich einen Sitz eroberthatte, nie annähernd zu der Anerkennung, die er eigentlich verdienthätte. Obwohl er fließend sprach und stofflich gut, fand er selbstin dem Beratungszimmer der uationalliberalen Fraktion kein auf-merksames Gehör, und uach Verlauf der dreijährigen Periodehatte nur eiue geringe Anzahl Kollegen seinen wahren Werterkannt. Es fehlte ihm ein Tropfen banalen Öls, mit dem derRedner und Schriftsteller gesalbt sein muß, um in die Breite zuwirken. Er war nur Mann von Geist, von Kenntnissen und vonscharfem, dialektischem Verstand, und wiewohl es ihm auch auTemperament nicht fehlte, denn er war eigentlich eine leidenschaft-lich erregbare Natur, maugelte es seinen Reden mehr noch alsseinen Schriften an Farbe, besonders aber an jenem Zusatz vonleicht verständlicher Beigabe, die der Leser und Hörer des Durch-schnitts verlangt, der nicht bloß vernehmen will, was ihm der