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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Sechstes Kapitel,

mich aller Schwachmütigkeit und Wehleidigkeit entschlagen, auchdieses Jahr verloren geben und abermals was Neues beginnen soll?Aber auch das geht nicht. Ich möchte jetzt nichts mehr beginnen,ohne sicher zu sein, es mit der größten Energie und mit demgrößten Erfolg durchführen zu können. Und darauf kann ichnimmermehr vertrauen. So würde mir denn bald nur erneuerte Reuebevorstehen, auch der abermalige Versuch mißlingen und unter deroptischen Täuschung des Rückwärtsliegenden das Ausgegebene alsdas bessre erscheinen. So mag denn das Experiment sich ab-wickeln. Ich hab es von vornherein aus Glück nnd Unglückunternommen."

So fuhr ich nun in den ersten Septembertagen dieses Jahres1851 gen Rotterdam , um dort aus flacher Hand ein Bankhauszu errichten, nachdem ich die Stadien der elementaren Lehrzeitnnd weiteren Ausbildung in Jahresfrist überwunden hatte.

Auch war der Anfang möglichst bescheiden. Meine mütterlichenOheime borgten mir ein kleines Kapital, von meinem Vater konnteich nach seinen Verhältnissen nichts verlangen; er beteiligte sichmit der geringen Summe von 5000 Gnlden. Das Haus Bifchoffs-heim gab noch in der Form einer Commanditiernng einen mäßigenBetrag dazu. Und jetzt wurde die Firma L. A. Bamberger ck Co.ins Leben gerufen. A. setzte ich nach dem Vornamen meines Vatersdazu, weil sich damals ein Homonymus in London etablierte, denich nicht kannte.

Die Wohnungsverhältnisse waren in Rotterdam noch schwierigerals in Amsterdam . Nackt und bloß, wie ich ankam, war ich dar-aus angewiesen, fürs erste eine möblierte Wohnnng zu finden.Aber sie war auch danach. Zu den Ansprüchen eines Bankgeschäftsverhielt sie sich etwa wie meine Pfälzer Artillerie zu der einerernsten Kriegführung. In einer kleinen Straße, Noordblaakgenannt, bezog ich dreigestosfeerde Kamers", möblierte Zimmer,im ersten Stock. Eines nach vorn war mein Wohnzimmer. Vonden beiden nach hinten liegenden ward das eine Komptoir, dasandre mein Schlafgemach. Ebner Erde hatte der Eigentümer, einFriseur, seinen Laden der ganzen Breite der schmalen Fronte ent-lang, und notabene der Eingang zu meinem Komptoir führtedurch den offenen Laden, in dessen Hinterstnbe das Geschäft des