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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Siebentes Kapitel.

lesen war; dazu kam noch der dnrch den längeren intimen Um-gang erschlossene Einblick in das Innere. Das zweitbeste Frauen-porträt, das Ricard gemacht hat, ist das einer Madame Sabatier,die nichts mit der obgenannten Familie gleichen Namens gemeinhatte. Sie war die Maitresse eines Bankiers Mosselmann undeine hervorragende Schönheit. Das Bild stellt sie wundervoll ineinem roten Sammetkleide mit einem Schooßhündchen auf demArme dar.

Was Ricard ferner mit Lenbach gemein hat, ist eine tiefdurchdachte Farbentechnik, auf ein langjähriges peinliches Studiumder alten Meister begründet, und wahrscheinlich hängt mit dieserVorliebe zusammen, daß beide Maler mit idealer Hingebungalte Meister kopiert haben. Ricard hat z. B. Kopien vonClande Lorrain in großer Zahl gemalt, die mit dem Originalwetteifern können; Lenbachs ähnliche Leistungen sind aus derSchackscheu Sammlung bekannt. Man weiß, daß Lenbach ,namentlich in späterer Zeit, die Nebensachen einschließlich derHände oft stark vernachlässigt hat. Bei Ricard äußerte sichdieselbe Richtung in der Weise, daß er es wo möglich vermied,mehr als Brustbilder, ohne Hände, zu macheu. Er scheute vor derKonkurrenz der Nebensachen, die den Blick ablenken, nndnamentlich die Kolorierung der Hände thue dem Kolorit desGesichts Eintrag. Wenn man ein Kniestück haben wollte, mußteman mit ihm lange darüber streiten. Mehrmals kam es vor,daß er sich darauf eingelassen und das Bild nach dem Wunschdes Bestellers beinahe vollendet hatte, und dann mit einemmalezerstörte er es, indem er erklärte, es gehe doch nicht, und man müssezum Brustbild zurückgreifen. Aber was dargestellt wurde, wardann Gegenstand der zärtlichsten Behandlung und in seiner Weiseebenso geistig durchdrungen wie das Gesicht.

Über die kleinste Farbenmischung konnte er Monate langbrüten; er sprach von Vermillon oder von Bitnme wie von heiligenWeihegaben. Unendlichen Scharfsinn wandte er darauf, den altenMeistern in ihren Farbenbehandlungen nachzugrübeln. Dannkam er manchmal ganz beglückt aus dem Louvre, wo er au einemCorreggio oder Tizian endlich die Art der Grundierung entziffertzn haben glaubte. Viel Kopfzerbrechen machte ihm auch die