313
Komponisten, Virtuosen und Kapellmeisters von Köln , wo sie erstim Jahre 1896 starb.
Zwischen Ricard und Madame de Calonne bestand eine sehrintime Freundschaft. Das Bild von ihr ist ein uuübertreffbaresMuster geistiger Personifikation und technischer Vollendung zugleich,eine sprechende Widerlegung dessen, was man sonst Realismusnennt, jener einseitigen naturalistischen Darstellung, die glaubt,man könne nicht wahr schildern, ohne den Geist auszutreiben.
Man hat Ricard oft mit dem eine halbe Generation jüngerenLenbach verglichen, und einige frühere Porträts Lenbachs, die aufder Pariser Ausstellung von 1867 figurierten, konnten zur Demon-strierung einer gewissen Analogie in der Farbenbehandlung dienen.Später hat sich Lenbachs Manier anders zugespitzt, indem sieden Charakter des Originals mit ungeheurer Wucht, aber auchVirtuosität auf einen einzigen Punkt konzentriert. Immerhinließen sich eine Reihe gemeinsamer Züge angeben, welche dafürsprächen, daß jene damals besprochene Verwandtschaft nicht derAnhaltspunkte entbehrt. Beide Künstler verwenden die größteAnstrengung auf die Ermittlung und Reproduktion des seelischenInhalts ihres Modells und verbinden damit die sorgfältigstePflege der Farbenmischung. Bei Ricard ist das psychologischeVerfahren diskreter und objektiver als bei Lenbach . Jener suchtaus jeglicher mit gleichmäßiger Liebe und Zartheit behandelteneinzelnen Partie den Totalausdruck hervorzuzaubern; dieser suchtsich den springenden Punkt heraus und wirft sich mit Blitz uudDonner daranf. Er ist daher eigentlich der Maler der bedeutenden,man könnte sagen, der historischen Physiognomien. Für gleich-giltige Gesichter ist er nicht gemacht. Er giebt ihnen leicht mehrCharakter, als sie haben, und dadurch auch einen falschen. Nichtjedes Gesicht ist ein Charakterkopf. Daß ihm weibliche Porträtsminder oft gelingen, hängt mit obigem zusammen, wozu nochkommt, daß überhaupt weibliche Porträts seltener ganz glückenals männliche.
Wenn Ricards größtes Meisterstück das Bild der Madamede Calonne ist, so hat das vielleicht seinen Grund darin, daß sieeine höchst merkwürdige Fran war und das Gepräge ihres starkenund komplizierten Naturells scharf in ihren Zügen ausgeprägt zu