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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Paris .

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lang gefangen gehalten wurde. Unter dem zweiten Empire lebteer still bis kurz vor dessen Sturz, wo die Wahlbewegung wiederlebhast wurde, und er sich gegen Thiers von einer ziemlich sozialistischgefärbten Partei als Kandidat aufstellen ließ, aber von seinemgroßen Gegner mit starker Mehrheit geschlagen wurde.

Den letzten Abend, den ich vor Ausbruch des Krieges uud vormeiner Abreise nach Mainz am 13. Juli 1870 in Paris zubrachte,war ich noch mit ihm zusammen. Nachdem ich die Ueberzeugunggewonnen, daß der französische Hos um jeden Preis den Kriegwollte, und ich meine Beschlüsse danach gefaßt hatte, fuhr ich mitmeiner Frau und dem Ehepaar d'Alton noch gegen zehn Uhrabends ins Bois de Boulogne . Es war eine herrliche Sommer-nacht, und wir waren natürlich ob der Vorgänge in großer Auf-regung. D'Alton war empört über die kaiserliche Kriegspolitik,der er einen unglücklichen Ausgang prophezeite. Ich sah ihndann nicht mehr wieder. Als ich im Frühjahr 1874 auf einigeWochen nach Paris kam, lag er fchon anf den Tod krank undstarb während meiner Anwesenheit. Gambetta hielt ihm die Grab-rede. Man denkt sich wohl, daß ich dabei nicht figurieren konnte.

Bei d'Altou hatte ich auch Gambetta einmal flüchtig gesehen,als er noch ein ganz nnberühmter Advokat war. D'Alton hatteeinen besonders lebhaften Sinn fürs Theater, das er auch nocheifrig besuchte, als er gar nichts mehr sah. Er wußte einenTeil des klassischen Repertoires auswendig. Einer meiner letztenästhetischen Genüsse in Paris war, daß ich kurz vor Ausbruch desKrieges einen Abend bei seiner Schwester zubrachte, wobei außermir und meiner Frau und ihm nur noch der berühmte SchauspielerBressant sich besaud. Auf unseren Wunsch willigten Bressantnnd d'Alton ein, nns den größten Teil derMisauthrope" auf-zuführen. Die beiden saßen ruhig auf dem Sopha, wir anderendaneben. Ich habe selten mehr Erbauung von einer theatralischenVorstellung gehabt, als von dieser einfachen, aus dem Gedächtnis,mit den feinsten Intonationen vorgetragenen Rezitation, in welcherder alte Lebemann mit dem Schauspieler von Beruf wetteifernkonnte. Keinen Augenblick vermißte ich Kostüm oder Dekoration.

In seinem eigenen Salon lernte ich auch Regnier kennen,meines Erachtens den größten aller zu jener Zeit in Paris weilen-