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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Paris .

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Was mich an Frau Zaubert anzog, blieb unberührt vondiesem wunderlichen Beiwerk, das übrigens nur von Zeit zu Zeitin der Intimität zum Vorschein kam und keineswegs als etwasCharakteristisches hervorstach. Der Reiz dieses Umgangs lag ganzauf dem Gebiete des geselligen Verkehrs, nicht etwa des üppigenGetriebes in der großen Welt des Luxus und der Repräsentation,sondern der seinen Wechselbeziehungen, auf Wohlwollen und Beob-achtungsfreude begründet. Gemeinsamer Sinn für die Freudender praktischen Psychologie förderte gegenseitige Zuneigung undstiftete nach Jahren ein Band zärtlicher Freundschaft, die durchdie wechselseitige Einweihung in die persönlichsten Verhältnissegenährt und befestigt wnrde.

Den Wunsch, den ich immer gehegt hatte, auch das feineresoziale Leben der rückwärts liegenden Zeit an der Quelle zustudieren, hätte ich gar nicht besser befriedigen können, als in-dem ich den Umgang mit dieser, wie zur Erfüllung diesesWunsches geschaffenen Fran, pflegte. In der That war dieseinteressante Belehrung gewissermaßen nur ein nicht gewolltesNebenprodukt unserer aus dem bloßen gegenseitigen Wohlgefallenentsprungenen und allmählich zn warmer Vertraulichkeit entwickeltenFreundschaft. Die reichen Erfahrungen, zu denen sie durch die inihr aufgespeicherten Erlebnisse gelangt war, wirkten natürlich in derAnziehung, die sie auf mich ausübte, in hohem Grade mit.Keinerlei vorgefaßte Absicht spielte jedoch aus meiner Seite mit,wie etwa beim Aufsuchen einer Berühmtheit. Es ergab sich imLauf der Zeiten alles von selbst und uur so beiläufig.

Als ich Frau Zaubert kennen lernte, wußte ich noch wenigvon ihr. Sie war anch nie sür weitere Kreise ein xudlio elmraotsr,wie es die Engländer nennen. Nur innerhalb der engeren Schrankeneiner guten Gesellschaft, die mit der älteren Generation näherzusammenhing und Beziehungen zum Faubourg St. Germainhatte, war ihre hervorragende Persönlichkeit zu einem anerkanntenTypus geworden. Und endlich spann sich und befestigte sich diewechselseitige Sympathie ganz ebenmäßig auf demselben Fußezwischen meiner Frau und ihr, wie zwischen ihr und mir immermehr. Selbst der Tod, zunächst der meiner Frau, und dannder von Madame Zaubert führte kein Ende herbei, denn ganz

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