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Siebentes Kapitel,
Als seine Trunksucht derart zugenommen hatte, daß seineFreunde darüber in Verzweiflung gerieten, kam man überein, daßdie Marraiue noch einmal einen Versuch machen sollte, ihn dnrcheine energische Vorstellung vom Abgruud zurückzuhalten. Sieentschloß sich, ihn ans einen bestimmten Tag (im August 1844)zu einer ernsten Unterhaltung aufzufordern. Es geschah. Manweiß, wie wenig auch die besten Vorsätze in solchem Falle aus-halten. Aber soweit kam es nicht einmal. Mnsset verstand esmit der geistvollen Geschicklichkeit der Dialektik, die ihm eigenwar, sich vor seiner Freundin zu rechtfertigen, die Klagen derFreunde wegen Trägheit nnd Trunksucht zu widerlegen und alsdie gekränkte Unschuld aus dem Bekehrungsversuch hervorzu-gehen.
Die Marraiue berichtet darüber iu einem Brief an denBruder Paul, auf dessen besonderen Wunsch sie sich zu dem Ver-such entschlossen hatte, und man ersieht aus ihren Worten,wie sehr es dem Angeklagten gelungen war, den Sinn der An-klägerin umzustimmen. Sie ist ganz zerknirscht über ihr unge-rechtes Beginnen.
„Ich kann Ihnen nicht wiederholen, was er mir gesagt hat,das geht über meine Kräfte. Nur soviel sollen Sie wissen: er
hat mich in allen Punkten geschlagen, er hat hundertmal recht
Nachdem er von mir weggegangen war, dichtete der arme Kerl(lö xg,uvrs Ag,i-Y0ll) ein an mich gerichtetes Sonett, das er miram folgenden Morgen in aller Frühe zusandte, und das michzn Thränen rührte; er wollte mir dadnrch beweisen, wessen ernoch fähig sei, als ob ich an ihm gezweifelt hätte! Ich hebediese Verse in meinem Gewahrsam ans. Vielleicht werden siespäter einmal veröffentlicht werden, nnd der schrecklichste Abend,der 13. August, wird nicht ganz verloren sein."
In seiner Biographie des Bruders vom Jahre 1877, nachdreiunddreißig Jahren, sind dann diese Verse auch zum Vor-schein gekommen Sie nehmen, ohne das Wort zn scheuen, dieAnklage auf, daß er ein Trunkenbold gescholten werde, undleugnen nicht das Verhalten, entschuldigen es aber als einen Aktder Notwehr gegen die innere Verelendung: