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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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505
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Beziehungen zn Deutschland und erste Reisen ins Vaterland. 505

Solche Schilderungen und Gedanken konnten natürlich ihrengleichartigen Eindruck auf mich nicht verfehlen, und natürlichflössen Betrachtungen dieser Richtung in die Korrespondenz mitden Meinigen ein.

Im September war ich von der Insel Wight nach Paris zurückgekehrt. Da kam eines Tags ein Brief meines älterenBruders aus Mainz , der mich mit der Nachricht überraschte, dasMinisterium in Darmstadt hätte auf ein Gesuch meiner Muttergestattet, daß ich unbehelligt zu deren Besuch iu Mainz erscheinendürfe, unter der Bedingung, mich während meines Aufenthaltesjeder politischen Thätigkeit zu enthalten. Der Brief war voneinem Jubelton der übrigen Familie begleitet, die ganz unbe-fangen erwartete, ich würde sofort mit beiden Händen nach demgewährten Vorteil greisen. Aber anf mich machte die Sachegerade den entgegengesetzten Eindruck. Ich wnrde einfach wütend.Denn es lag offen, daß hier ohne mein Zuthun und ohne daßich es ahnte, Schritte in meinem Interesse gethan worden waren,zu denen ich niemals mich entschlossen hätte.

Obwohl viele Jahre über den Kampf, den ich mit demMinister Dalwigk geführt hatte, hingegangen waren, lebte dieErinnerung daran doch noch so lebhaft in mir, daß ich niemalshätte einwilligen können, mir von diesem Minister eine Gnadeauszukitten. Es konnte mir das nm so weniger beikommen, alsgerade die Darmstädter Kabinettspolitik an der Spitze der äußerstendeutschen Reaktion stand und den Sammelpunkt für die bundes-täglichen Intriguen gegen alle nationalen Einheitsbestrebnngenbildete.

Nun hatte man zwar die Bittschrift von meiner Mutterunterzeichnen lassen, aber das konnte doch nur als eine durch-sichtige Verschleierung für mein eigenes Thun angesehen werden,und wenn ich davon Gebrauch machte, fo machte ich diese Prä-sumtion zur Wahrheit. Auch steckte, wie ich sofort erriet, einezwar wohlgemeinte, aber mir sehr wenig zusagende Mitarbeit ander ganzen Operation dahinter. Ein alter treuer Schul- undUniversitätsfrennd hatte die Schritte meiuer Mutter gelenkt undseine gnten Dienste beim Ministerium geleistet. So sehr er mirgut geblieben, so sehr waren seine politischen Ansichten von den