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Achtes Kcipitel.
Seit einiger Zeit hatte sich auch in Paris ein Anknüpfungs-punkt für die Pflege der deutschen Beziehungen gefunden. Eindamals oder vielleicht auch — dies ist mir nicht mehr erinner-lich — schon vorher gegründeter deutscher Turnverein bot einenSammelpunkt für die Landsleute, namentlich die in den Pariser Geschäften konditionierenden jungen Leute, die damals um so zahl-reicher waren, da nicht nur das Bankgeschäft, sondern auch dassehr bedeutende Kommissionsgeschäft zu einem großen Teil indeutschen Händen lag. An der Spitze des Ganzen stand einjüngerer Mann aus Berlin , eine interessante Persönlichkeit. Erhieß Viktor Benary, war der Sohn und Neffe zweier sehr be-deutender und bekannter Berliner Gelehrten und hatte einedem entsprechende, vorzügliche Gymnasialbildung genossen. Erwar sehr lebendigen Geistes, ehrgeizig und intelligent. Er hattedamals einen hohen Posten im Hause Rothschild, und manprophezeite ihm eine große Zuknnst. Leider machte ein frühesEnde diese Hoffnungen zn Schanden. Er hatte bald nach derZeit, von der ich eben rede, ein eigenes Bankgeschäft gegründetund heiratete anfangs 1868 eine junge, sehr reiche Dame ausmeinem nächsten Kreise. Ich war sein Trauzeuge bei der Hoch-zeit, während der berühmte, gelehrte Schriftsteller, Eduard Laboulaye,der Verfasser von ?ariL SQ ^msric^uö und ?rinos (knicks derZeuge der Braut war. Daraus trat das junge Paar die Hochzeits-reise nach Italien au, die, wie so manchmal, verhängnisvoll werdensollte. Benary kam mit dem Keim eines Typhns zurück und mnßtesich alsbald schwer erkrankt zn Bett legen. Während ich an derersten Session des Zollparlaments in Berlin Teil nahm, erreichtemich dort die erschütternde Nachricht von seinem Tode. Ich widmeteihm einen Nachrns in der „Nationalzeituug".
Im Jahre 1865 war unter seiner Leitung der Turnverein inden schönsten Zug gekommen. Wir hatten ein schönes Lokal im?g.uboui'Z Nolltra^rtrs, wo jeden Sonntag am Abend gesellige Ver-sammlungen stattfanden. Die französische Polizei hatte zwar einAnge auf uns, aber da wir uns vorsichtig von der innerenPolitik fern hielten, so lebhaft wir uns auch mit der deutschenbeschäftigten, so ließ man uns ungeschoren. Die geselligen Zu-sammenkünfte waren natürlich auch reichlich von Gesang getragen.