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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
Seite
541
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Beziehungen zu Deutschland uud erste Reisen ins Vaterland. 541

Vor sechs Monaten gab ich mich noch leise der Hoffnung hin, eskönnte eine Krisis deutscher Zustände entscheidend zwischen mich undmein Problem treten, aber die Erlebnisse der letzten Zeit liefern wenigTrost zu solchen Aussichten, und selbst der unbestreitbare Reiz, mit demmir das Berliner Jntelligeuzleben bei meinem letzten Durchgang gewinkthat, weicht den niederschlagenden Beweisen der Sterilität, iu denen sichalle höheren Anschauungen in deutschen Lande» gebannt finden. Ichdenke, dieses Jähr jedenfalls Deutschland wiederzusehen und mein Urteilund meine Empfindung zu berichtigen."

Am Schluß des Briefes heißt es dann:

Schreibe uns bald viel Menschliches; wir sind sehr vereinsamt; es hatdies Jahr sehr wenig interessante Deutsche hier gegeben; zu den Franzosenhab ich trotz allem kein Genie."

Die Nachrichten ans Preußen lauteten trübe genug. ImOktober 1864 gingen dieDeutschen Jahrbücher" ein; Oppenheimwurde mehrfach strafrechtlich verfolgt und verließ Berlin; FannyLewald schrieb tief niedergeschlagen, und Walesrode meldete ausGotha , daß die preußischen Gerichte seine Auslieferung wegenHochverrats verlangt hätten. Trostlose Aussichten.

Es ist überaus bezeichnend für den Grundzug der deutschen Entwicklung, daß die Notwendigkeit, sich den Preußeu anzuschließen,und die immer wiederkehrende Erfahrung von der abstoßenden Naturder vom Junkertum beherrschten Regierung auch in meinem Brief-wechsel mit den politischen Freunden sich fünfzehn Jahre langwie ein roter Faden durchzieht, und bis auf den heutigen Tagist der nicht abgerissen, ja stärker als je geworden.

Als ich in den guten Jahren von 1868 bis etwa 1874 (dennvon da an zeigten sich schon die Rückschläge wieder) einmal einGespräch mit einem alten Bekannten vom Niederrhein hatte, dermit meiner Reichsbegeisterung nicht einverstanden war er warkatholischer Demokrat, sagte er zu mir:Ja, lieber Frenud,Sie kennen die preußischen Junker noch nicht". Wie oft habe ichseitdem an dies einfache Wort zurückdenken müssen, und wie un-glückselig berechtigt dieser Ausspruch ist.

E n d e.