Einleitung.
Wir Deutsche haben die weltgeschichtliche Rolle, die unsereKönige und unser Volk im Mittelalter spielten, als wir noch bar-barischen oder schon überlebten Völkern die Grundlagen staatlicher undkirchlicher Ordnung brachten und sicherten, nicht nur mit großenVerlusten an Menschen bezahlt, sondern auch mit Verlusten an Zuchtnnd Ordnung. In England und Frankreich erwuchs aus der Auf-lösung des Lehnsstaates ein nationales Königtum, das die Kräftedes gesamten Volkes vereinigte, in Deutschland dagegen entstandaus dem Lehnsstaat des Mittelalters eine Summe von Zwerg-staaten, die ihre beste Kraft im Kampfe gegeneinander mißbrauchten.Unser König führte den Titel „All der Welt Herr", und noch im14. Jahrhundert ließ sich ein König von England vor dem deutschenKönige auf ein Knie nieder, damit er ihm die Krone von Frank reich verleihe; aber zu gebieten hatten die Könige unseres „heiligenrömischen Reichs deutscher Nation" seit der Mitte des 13. Jahr-hunderts regelmäßig nur in ihrem besonderen, oft recht beschränktenFürstentume.
Das Königsrecht war in Privilegien zerbröckelt, und wer davoneinige vereinigte, der deuchte sich ein Fürst zu sein oder eineObrigkeit. Daß sich nun aus diesen Trümmergebilden seit dem14. und 15. Jahrhundert in der Landeshoheit „der teutschen Neichs-stände" doch wieder eine neue Form staatlicher Ordnung erhob, dasist als ein rettendes Geschick zu preisen und ist zugleich ein Zeugnisfür die reiche politische Begabung unseres Volkes. Denn es ist eineschwere Sache, den Staat wieder aufzurichten, wenn die Form ein-mal zerbrochen ist.
Kaufmann, polit, Geschichte. 1