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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Tie Bildung der Parteien.

und preist die Umsicht der Gesetzgebung, vor allem im Heer-wesen. Mit dein Geschick deS eifrigen Sachwalters behaupteter endlich, daß auch der Mangel einer Volksvertretung nicht auseiner freiheitsfeindlichen Haltung der Regierung, vielmehr nur ausder schwierigen Lage des Staates zu erklären sei, der mit beschränktenMitteln übergroße Aufgabeu zu losen habe. Am Schluß des Buchesbetont er sehr stark, daß Deutschland aus wirtschaftlichen Gründenden gegenwärtigen Znstand nicht mehr lange ertragen könne. Unterden Lasten, welche die zahlreichen Fürsten und Regierungen forderten,erliege das Volk; die ackerbauende Bevölkerung namentlich befindesich in einem trostlosen Znstande,

(weil) dreißig Familien sich bis jetzt nicht überzeugen konnten, daß für dreißigMillionen Menschen dreißig Könige zu viel sind . . . der Hof, der Adel unddie Beaniten ihre Rechnung dabei finden, wenn eine Anzahl kleiner Fürstenmit allen Ansprüchen machtiger Monarchen auftritt, ohne als Ersatz ihrenUnterthanen einen der Vorteile bieten zu können, welche der Beherrschereines großen selbständigen Reiches den Seinigen zu sichern vermag. . . .

In die tieferen Kreise der Gesellschaft muß man hinabsteigen, in derHütte des Landmanns mnß man sich umsehen, wenn man das Elend, welcheseine unselige Zerstückelung über Deutschland gebracht hat, in seinem ganzenUmfang ermessen will. . . . Warum tritt denn nun in den Versammlungen derStande niemand auf, der den Fürstenschmeichlern znruft, dieses Schauspielzu betrachten und zu erröten, wenn sie es vermögen, und nicht das Ent-setzen ihre Wangen bleich färbt? Warum fragt keiner, ob denn dieser Jammerewig dauern und Millionen Menschen wie das Ackervich sich analen sollen,nur damit die herrschenden und bevorrechteten Familien von dem gemeinenLos der Sterblichkeit nie etwas erfahren?

Einige Jahre später (1835) hat Pfizer in einer nenen Schriftdie Formen, in denen Preußen die Leitung des neuen von denStaaten außer Österreich gebildeten deutschen Buudesstaats zu führenhabe, genauer zu schildern versucht. In jenen ersten Jahren nachder Jnlirevolutiou wnrde von vielen die Befürchtung ausgesprochen,die Frauzoseu würden namentlich im Westen von großen Kreisenmit offenen Armen empfangen werden, wenn sie ihre Heere wiederwie vierzig Jahre vorher unter der Fahne der Freiheit über denRhein führen würden. Die Verzweiflung über diesen Zustaudverbitterte Niebuhrs letzte Tage, und auch Dahlmann trug schweran dieser Sorge, doch hoffte er, die Gefahr lasse sich beseitigen,wenn sich der König entschließe, Preußen eine Verfassung zu ver-