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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Puttkamer. Wahlfreiheit der Beamten.

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ausbaute, zwischen dem von seiner neuen Anschauung erfülltenKanzler und dem auf seine Verdienste stolzen Liberalismus tratenjunkerliche und bureaukratische Ansprüche wieder auf den Plan, diemit den konstitutionellen Einrichtungen nicht zu vereiuigeu warenund in den alten Absolutismus zurückzulenken schienen. Vertreterdieser Tendenzen war namentlich der Minister von Puttkamer,der die rechtswidrigen Formen seiner Wahlbeeinflnssungen durcheine Theorie zu rechtfertigen suchte, die den Beamten jede Selb-ständigkeit bei Ausübung ihrer politischen Bürgerrechte nahm(15. Dezember 1881). Ein Erlaß des Königs vom 4. Januar 1882suchte die Erregung zu beschwichtigen, die darüber entstand, waraber auch nicht frei von bedenklichen Weudungeu. Da erst erhobsich Bismarck in der Reichstagsverhandlung am 24. Jauuar 1882zu der Erklärung, daß durch den Erlaß den Beamten die Freiheitder Wahl nicht habe beschränkt werden sollen, auch den politischenBeamten nicht, so daß also auch Regierungsrüte, Laudräte, Schutz-leute und Gendarmen das Recht hätten, sür Kandidaten derOppositionsparteien zu stimmen. Nur sollte es für alle Beamteneine Anstandspflicht sein, sich nicht verwerflicher und unmoralischerMittel der Agitation zn bedienen, und die politischen Beamtensollten verpflichtet sein, die Absichten der Regierung wenigstens inso weit auch thätig zu unterstützen, daß sie offenbaren Lügen nndVerleumdungen, die etwa von der Opposition ausgestrent würden,entgegenträten.

Allein schon die Thatsache, daß der Minister von Puttkamerim Amte blieb, galt als Beweis dafür, daß es auch bei der ab-solutistischen Praxis bleiben werde. Und die Willkür, die namentlichnach dem Rücktritt des Oberprüsidenten von Möller nnter Man-teuffels Statthalterschaft 187985 in der Verwaltung des Reichs-landes Elsaß-Lothringen zur Herrschaft kam, verstärkte den Eindruckjener preußischen Vorgänge, wenn auch im allgemeinen der Ent-wicklung des Reichslandes von der deutschen Presse nnd dendeutschen Politikern wenig Beachtung geschenkt wurde. Noch istdie Zeit nicht gekommen, mit kurzen Worten der historischen Be-trachtung über die Art zu urteilen, wie wir diese Gebiete den:deutschen Reiche nnd dem deutschen Geiste zu gewinnen und zu er-

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