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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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31
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Die Weimarer Freunde der Kunst.

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aus ihm, der lange auf der deutscheu Natiou gelastet hat, derHochmut des Gesetzes, welches auch die uicht künstlerisch Sehendenzum rechten Urteil befähigen sollte; das Übergewicht des Wissensüber das Können; der Maßstab des Dilettanten gegenüber jederfreien Willensäußerung starker Eigenempfindnng. Es ist kein Zu-fall, daß die starken Persönlichkeiten in der Kunst, die sich Goethe näherten, fast alle von ihm zurückgewiesen wurden. Erst Schadow,danu Cornelius. Die, welche in der Folge Anregungen gaben,sind ihm alle gleichgültig geblieben. Man lese z. B. die schierunerträgliche Schulmeistern, mit der er noch 1817 in dem Vor-schlag zur Gründung eines Vereines der deutschen Bildhauerdiese behandelt, um sie zur Reise nach London , znm Studium derWerke des Phidias, der Elgin-Marbles und jener des Tempels vonPhigaleia zu bereden: jeder solle sich, mit Gefahr des Pilger- undMärtyrertums die Wallfahrt nach London zuschwören; wie erihnen abrät, jetzt noch nach Rom zu gehen, wo deutsche Künstlernach Belieben uud Grillen ihr halb künstlerisch halb religiösesWesen getrieben und schuld geworden sind an allen den neuen Ver-wirrungen, die noch eine ganze Weile nachwirken würden.

Man erkennt zu deutlich, wie Goethe, wie die Männer seinerZeit und seines Geistes die Kunst in die Lehre zu nehmen dachten,wie die Wissenschaft sich ihrer Herrschaft sicher, der denkende Geistüber dem künstlerisch schaffenden sich erhaben fühlte. DasHandwerkliche der Kunst wurde zum Nebensächlichen, seit man ge-sunden hatte, daß der Inhalt deren höchstes Wesen ausmachte,seit man von ihr vor allem die Darstellung des litterarisch Geist-reichen forderte.

Und weil das Handwerkliche erlernt werden könne durch Fleiß,weun nur einigermaßen das Geschick vorhanden war, sah Goetheund sahen die um ihn im Künstler einen Handwerker. Goetheantwortete Schadow nicht, als dieser ihm vorgehalten hatte, daßdie Kunst auf der Schürfe des Sehens, des sinnlichen Erfassensund werklichen Wiedergebens beruhe; daß das vollendete Werk nuraus künstlerischer Anschauung begriffen und bereitet werden könne;daß die reale Wahrheit über der inhaltlichen stehe. All dies warihm zu gering. Die armseligsten Kunstwerke befriedigten ihn, wie die