Retzsch. — Zeichnung und Malerei.
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seinen wesentlich besseren Zeichnungen erhielt sich viel im DresdenerKupferstichkabinett. Es sind Zeugnisse einer sehr eigenartigen' Kuust-auffassuug. In den Linien ist noch etwas von der Nokokoanmut,in der Kleidung herrscht das englische Theaterkostüm vor, wie esunter Garrick sich entwickelt hatte, jene Mischung von Mittelalterund Renaissance, die den Modernen so oft den Wert der Zeichnungder unter ihr sitzenden Gestalt verkennen läßt. Aber hier ist einvoller Strom der schaffenden Phantasie, ein wirkliches Auslebenin deu dargestellten dichterischen Porgängen. Netzsch hat dieromantisch-kirchliche Strömung der Folgezeit nicht mitgemacht, erverspottete in einer Zeichnung die, welche selbst Rasael und dieBildnerei der Alten verwarfen, er bewegte sich in jener Linie fort,die drüben in England in Flaxman nnd Blake ihren Ausdruckfaud. Sind doch Flaxmans sprudelnd geistreiche Arbeiten vontiefstem Einfluß auf das ganze junge Kunstgeschlecht der Zeitgewesen.
Der Umriß, die einfache Zeichnung war zum besten Ausdrucks-mittel hoher Knust von der Ästhetik erhoben worden. Feruow hattedies als Carstens Ansicht verkündet; die Maler beugten sich diesemUrteil. Er habe, so hieß es, zur Darstellung der Natur auf derFläche zunächst die Zeichnung. Sie giebt Form, Rnndung, Be-leuchtung, Haltuug, Helldunkel, ja bis zu einem gewisse» Gradeauch die Farbe. Der ästhetische Ausdruck wird also durch dieZeichnung allein schon gegeben; sie nur macht das Kunstwerk zumGemälde. Die Farbe ist also ein ideell Überflüssiges. Daher seisie auch schwerer in Regeln zu fasseu, müsse nach Praktischem Kunst-sinn ausgeführt werden. Es ist ferner nicht möglich, das Koloritzn idealisieren, die Natur nach der farbigen Seite zn übertreffen.Denn die Farbe sei real, wahreres Fleisch als das wahre gäbe esnicht, das Licht selbst sei in seiner Wirkung unerreichbar. Wohlaber lasse sich auch im Kolorit die Überlegenheit des Künstlersüber die Natur darthuu. Uud zwar in der Beleuchtung, dienicht zufällig, sondern Planmäßig geordnet sein müsse, in der„Haltung", wie er die Abstufung der Dinge hinsichtlich deratmosphärischen Luft zwischen den entfernteren Gegenstände» be-zeichnet, im Helldunkel, indem Licht, Schatten und Mittcltöne so