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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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II. Die Klassiker.

Regel, des Wissens im Gegensatz zn jenem rücksichtsloser Selbst-bethntigung, sreier Darstellung des eigenen Geschmackes. Schinkelhals mit, der Sache Palladios gegen die Michelangelos zum Siegezu helfen. Und wenn hente wieder der gewaltige Florentiner als Siegerin der Kunstanssassnng erscheint, so sind doch die letzten Worte imKampf zwischen den beiden großen Systemen noch nicht gesprochen!

Das was Schinkel mit seinen Vorgängern gemein hat, ist, das;die Säulcnordnung noch sür vielerlei Arten von Bauten dasAusdrucksmittel hergeben mußte: eine dorische Tempelfront für dieHauptwache iu Berlin, eine jonische für jene in Dresden , für dasSchauspielhaus in Berlin , wie vor dem Schloß Charlottenhos, eineSäulenhalle vor dem Mnscnm. lind man kann alsbald dieKunst seines Mitschülers Leo von Klenze, die iu München zu sohohen Ehren kam, hinzufügen: jonische Säulen vor der Glyptothek ,dorische an den Propyläen, an der bayerischen Nnhmeshalle hinterder Bavaria, ja selbst die Walhalla bei Regensburg ist ein dorischerTempel, also keine Walhalla , sondern ein Pantheon, wie es KöuigLudwig I. anfangs auch nennen wollte. Die Beispiele ließen sichnoch außerordentlich vermehren. Wie viel selbständiger ist trotz derwie mit Keulenschlägen geschaffenen Detaillierung Sousflots PariserPantheon, wie viel üugstlicher halten sich die deutschen Klassizistenan das athenieusische Vorbild. Ob, wie am Mnsenm in Berlin ,ein zweigeschossiges Gebäude, oder ob einheitliche Räume hinter denSäulen stehen, erscheint noch immer nebensächlich: die Schauseiteist ein Ding für sich, sie ist für deu Hellenisten nur abhängig vonden klassischen Gesetzen reiner Formgebung.

Schinkel äuderte ini Lause seines Wirkens seine Ansichten überdas Entstehen der Bankunst. Anfangs war er der Meinung, siesei vom physischen Bedürfnis ausgegangen, habe nach physischerBequemlichkeit die Baustoffe verbunden, im Streben nach Festigkeitund Dauer; uud sich danu erst zu höherer Kunst erhoben, indemsie diese Eigenschaften äußerlich kennzeichnete und die diese Festigkeitbedingenden einzelneu Teile durch Verzierung kräftiger hervorhob.

Das widersprach der idealistischeil Ästhetik, und Schinkel, derphilosophisch Geschulte, der als Jüngling durch Rom gewandert war,Fichtes Werke in der Tasche, konnte dieser dauernd nicht Widerstand