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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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75
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Schinkel und HellciS.

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leisten. Die Baukunst, verbesserte er sich in seinen Niederschriftenselbst, ging gleich von der Idee aus, unterschied zwischen praktischemBedürfnis uud dieser. Jenes steigerte sich langsam durch Jahr-tausende zum Ideal, diese hatte sie unmittelbar vor Augen. Dierohen Völker bauten für die Idee: die aufgerichteten Steine, Pyra-miden, Grabmäler bezeichnen ihm bloße Gefühle. Aber er blieb dochder Ansicht, daß das Ideal der Baukunst im geistigen und physischenEntsprechen aller Teile mit ihren Zwecken liege, daß daher jede Zeitmit neuen Anforderungen auch neue Ideale habeu müsse. Alte Kunstliege den neuen Anforderungen oft fern; neue Empfindungen seiennotwendig; ein wahrhaft geschichtliches Werk dürfe nicht geschichtlichAbgeschlossenes wiederholen, sondern müsse eine Fortsetzung der Ge-schichte darstellen. Die altgriechische Baukunst in ihrem geistigenPrinzip festzuhalten, sie auf deu Bedingungen der neuen Zeit zuerweitern, das Beste aus deu Zwischenzeiten mit ihr zu verschmelze»,schien ihm die Aufgabe des vom Himmel beglückten Künftlergeistes.So werde man aus den lauge abgenützten nenitalienischen undneufranzösischen Grundanschauungcn, dnrch die so viel Heuchelei uudLangeweile erzeugt sei, zu einer eigenzeitigen Knnst kommen.

Wie also die neuere Zeit Schinkel, so warf dieser seinem Vor-gänger, dem Rokoko, Langeweile vor. Es ist aus seinen Neisebeschrei-bungen ersichtlich, wie wenig ihn selbst Palladio berührte. Kein Wortder freudigen Erhebung vor seinen Werken in Vieenza, in Venedig;keine herzliche Zeile für Perraults Louvrefassade, welcher Schinkelsür seinen Museumsentwurf so viel verdankt! All das war ihmZopf! ebenso wie der Klassizismus der Engländer, das Pantheonin Paris; das Auge war ganz hypnotisiert ans Athen gerichtet,auf die hellenische Baukunst, deren Werke er nie gesehen hatte.Wohl kannte er Paestnm, die dorischen Bauten Siziliens , seineReisestudien sind ja erhalten. Er hat die Denkmäler Polas,einiges in Rom, Taormina , Girgcnti n. a. mehr gezeichnet. Aber auchdiese Werke beschäftigten seinen Geist nicht eigentlich. Den dorischenStil in seiner Frühzeit, in seiner derben Nrgestalt konnte er so weuigwie die Renaissance, für die vielgegliederten Forderungen seiner Zeitverwenden; er scheute sich vor der grausamen Folgerichtigkeit, mitder die Franzosen sich während der Revolution, dieser Form be-