Der Zopf,
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Durch nun fast achtzig Jahre gilt Der für eiueu drolligenMenschen oder selbst sür einen Zopfträger, der der Kuust der Zopf-zeit etwas abgewiuueu kauu. Mir will scheinen, daß, wenn manGoethe nnd seine Zeit so sehr bewundert, man doch auch dazukommen müßte, die Meister, welche damals gefeiert wurden, ausdieser Zeit heraus zu betrachten. Freilich, ihnen geschieht recht mitdem Mißverstandenwerden, Denn sie selbst haben ebenso ins Gelagüber die vor ihnen sich abspielende Kunst geurteilt und uoch vordreißig Jahren galt uach ihrem Urteil das Rokoko sür ebensolächerlich und jeder Nokokofreund für einen drolligen Menschen,wie heute die Biedermeierzeit und gar erst die Vatermörderzeit.Sollte sich einmal wieder doch das Blatt wenden und man mitErstannen erkennen, daß auch in der idealistischen Knnst sich daSäußert, was jede Knnst beachtenswert macht: nämlich der Ausdruckihrer Zeit, der Zeit Goethes! Uud sollen wir wirklich gezwungensein auf die geschichtliche Würdigung dieser Zeit und ihrer künstle-rischen Ziele verzichten zu müssen, weil jene Ziele nicht mehrdie unserigen sein können? Sollen wir dieser Zeit nicht gleicheGerechtigkeit gewähren als anderen, deren Erzengnisse uus uichtgefallen, die wir aber doch aus der Entwickelung herans zu ver-stehen suchen, und die, eiumal verstanden, doch ihre Wirkung ausuns ausüben? Wir sträuben uns gegen die Zeiten des Verfalles.Aber war das Leben in Rom ein solches niedergehenden Geistes?Ist nicht gerungen worden, waren die Werke eines Carstensund seiner Schule uicht geschaffeu in der Begeisterung des Auf-schwunges?