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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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III. Die alten Schulen.

Freilich sind sie nach unserer Ansicht akademisch, d. h. sie erinnernan den Zeichenunterricht im Aktsaal nnd vorzugsweise nach demGips; sie siud idealistisch in der Vernachlässigung alles Nebensäch-lichen; das bedeutet thatsächlich wieder ebensoviel als daß sie ausdie feinere Durchführung deS Spieles der Muskeln, des eigentlichenTones der Haut verzichten. Sie sind endlich Plastisch empfunden:jede Gestalt wurde so gerückt, daß sich die Linien nicht über-schneiden, daß sie einen in sich geschlossenen Umriß bildet. Dasalles aber hinderte Wächter nicht romantisch zn empfinden. Erist auch in einer schwachen Stunde zum Katholizismus übergetreten,wohl nicht mit gleichem inneren Drang als die Späteren, doch schonmit dem Empfinden, daß man in Rom nicht Jupiter, fondernSt. Peter zu huldigen habe; er war auch einer der ersten, der inFlorenz Studien machte und beim Erkennen der Entwickelung derMalerei sich des Niederganges nach Andrea del Sarto bewußt wurde.Die hier gewonnenen Erfahrungen konnte er dann in Wien , wohiner vor deu Franzosen flüchtete, den Jüngern mitteilen, derenEifer und Köunen er mit herzlicher Bewunderung, mit einer schöneilSelbstüberwindung huldigte.

Nach Sachsen trng Ferdinand Hartmanu die damaligerömische Schule. Er ist wesentlich akademischer als seine schwäbi-schen Genossen, aber er sticht doch vorteilhaft ab gegen seinen Vor-gänger Sehen au. In Rom hatte er eine Zeit der Begeisterungsür neue Gedanken miterlebt, die ihn für die Folgezeit erwärmte.Die Schüler verehrten ihn und fanden iu ihm den Lehrer, der siein das Handwerkliche der Kunst erfolgreich einführte. In jungenJahren war er ein Förderer anderer gewesen, ebenso wie seinGenosse an der Akademie, Friedrich Matthäi , der etwas späternach Rom und von dort nach Dresden kam. Später wurden beidezum Hemmschuh. Aber man sollte sie nicht ausschließlich aus ihreuantike Stoffe behandelnden Arbeiten beurteilen! Das Altarbild imDom zu Würzen, Matthäis Hauptwerk, ist namentlich malerisch einesehr achtenswerte Leistung, glatt, schönsarbig, aber doch ein Werk,auf welches eiu Hübner oder Bendemann mit Geringschätzung herab-zusehen durchaus keine Ursache hatten, das ihnen mancherlei mühsamErstrebtes mit sicherer Hand vorausnahm.