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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Die Theorie der Landschaft.

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Damit traf er im wesentlichen die Ansicht der Gelehrten.Auch in der Auffassung der Landschaft war der Streit zwischenidealem und charakteristischem Streben offenkundig. Den meistenwar schon Claude Lorrain zu genau, zn sorgfältig, zu sehr aufsKleine bedacht, sie suchten großen Stil, Vernachlässigung des Neben-sächlichen, Zufälligen. Man forschte lebhaft nach dem Wesen desIdealismus in diesem Gebiet, man erkannte seinen Wert, fand abernicht gleich die Formel, lim ihn philosophisch zu fassen und somitdem Lernenden zugänglicher zu machen.

Vor allem ging man zur Ergründuug der ästhetischen Werteder Landschaft von den mit Lebhaftigkeit empfundenen Negungeu aus,die die Natur im empfindsamen Menschen weckt. Mit Jean JacaueSRousseau glaubte man in diesen die frühesten, ursprünglichsten Äuße-rungen des menschlichen Herzens gefunden zu haben. Sulzer meint,die Schönheiten der leblosen Natur seien es, die den im Denken nochungeübten Menschen dahin unterrichteten, daß er kein bloß irdisches,lediglich aus Materie gebildetes Wesen sei. Freilich fand man beimBauern oder um mich im Stile der Zeit auszudrücken beimLandmann diese Regungen nicht, so eifrig die Dichter sie ihni auch auf-drängten. Wie nun die Natur Schauder und Furcht, sauste Traurig-keit und erauickeude Wollust, Dankbarkeit und Ehrfurcht erwecke, sokönne der Landschafter uns vielfältig auf eine nützliche Weise ver-gnügen, fürnehmlich, wenn er mit den höhereu Kräften seiner Knnstbekannt, sittliche und leidenschaftliche Gegenstünde mit den Scenender Natur verbindet. So Sulzer. Diese sind für ihn denn anch,wenn man zwischen den Zeilen liest, die Hauptsache. Dem Maler giebter den Rat, sobald er eine abbildenswerte Landschaft gefnnden habe,die herumliegenden Dinge von dieser abzusondern: ein Ganzes zumachen, an dem nichts fehle, aber das auch durch nichts Überflüssigesverunstaltet werde; daß nur zwei Hauptmassen an Licht nnd Schattenim Bilde seien, daß das Licht gut einfalle und die Darstellung sonatürlich als möglich sei; und dergleichen gute Regeln mehr. Jeden-falls stand ihm eines fest: der Maler hatte seinen Standpunkt überder Natur zu wählen, beileibe nicht bloß sie nachzuahmen. Denner finde die volle künstlerische Stimmung doch nicht in der Natur.Nur kluge Wahl könne sie aus ihr herausklauben.