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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Numohr.

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müssen wir danach suchen, worin denn die Neuheit, die Tiefe liegt,die damals die Welt in ihnen fand. Wie in der Folgezeit hinund wieder Männer auftauchten, die von einer Anzahl Mitstrebcudermit Jubel als Neuerer begrüßt wurden, während die übrigen dasNeue auch bei gutem Willen nicht in ihnen finden konnten, so mußsich bei geschichtlicher Betrachtung nachträglich die Wirkung Rungeserklären lasseu.

Ungemein viel liegt in der gewählten neuen Form: Eineornamentale Behandlung, die von der überkommenden Schmuck-weise absieht. Die Ornamente waren der Natur entnommen. Dashatte in ihren Streublumenmustern die Weberei, Tapetenfabri-kation u. s. w. schon längst gethan. Hier aber ein Vordringender Kunst von unten herauf in ihre am höchsten geschützten Kreise,in die Gebiete des Idealen, eine aus dem gleichzeitigen Gewerbehervorgehende Kunst. Nicht fertige Gedanken, zu denen das Bildgesucht worden war, sondern Bilder, welche Gedanken erzeugensollten. Uud iu den Gedanken liegt der Schwerpunkt. WieCarus vom Landschaftsbild forderte, es solle nicht Naturempfindungendarstellen, sondern gleich der Natur solche wecken, so hier nicht dieBilder zu bestehenden Mythen, bekannten Ereignissen oder alle-gorischen Formeln, sondern ein Dichten in Gestalt. Auch damalswar es uicht die künstlerisches Leistung, die an diesen Blätternsolches Aufsehen erregen ließ, sondern die künstlerische Absicht, ausder sie geschaffen wurden.

Diese Anschauungen eines vertieften, weil rein künstlerischenRealismus griffen damals mächtig um sich. Sie fauden einenlitterarischen Vertreter in dem Kunstgelehrten Karl Friedrichvon Rumohr , von dem zwar jeder schulmäßig gebildete Kritikersich angewöhnt hat, zu sagen, daß es ihm an philosophischerSchulung fehle, der aber zu den wenigen Gelehrten der Zeit gehört,die ein unmittelbares Verhältnis zur Kunst hatten. Sein Glückwar, daß er bei dem unter Battoni in Rom uud Bigari iu Bolognagebildeten Halbitaliener Johann Dominik Fiorillo seine erstenStudien gemacht hatte. Denn das war einer jener Maler-Schriftsteller, die noch einen Tropfen vom Blute des Vasari insich fühlteu und die Kunst mit der Unbefangenheit des Künstlers,