Druckschrift 
Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
Entstehung
Seite
262
Einzelbild herunterladen
 
  

262

V. Die Romantiker.

ihrer Zeit. Der preußische Staat war eben nicht der rechte Bodenfür die Nomantik, zum mindesten nicht Berlin .

Anders staud es am Rhein . Der dort zu einem ties die Massenerregenden Wunsch gewordene Gedanke der Erneuerung des KölnerDomes kam nicht zur Ruhe. Von A. W. Schlegel angeregt, hattedie zähe Arbeitskraft des Sulpiz Boisseree die Leitung in dieserAngelegenheit übernommen. Seit 1807 drängte er darauf hin, dieRuinen zu neuem Leben erstehen zu lassen. Napoleon I. , Goethe,der Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen wurden nacheiuanderznr Förderung herangezogen; Görres weckte 1814 durch seineflammenden Schriften die helle Begeisterung dafür, den Dom alsDankopfer für die Befreiung des deutschen Volkes aus französischerKnechtschaft aufzurichten. Man könne nicht mit Ehren ein anderesprunkendes Werk beginnen, bis man dieses zu seinem Ende gebracht.Ein ewiger Vorwurf stehe der Dom vor unseren Augen. Als seineBanleute sich verliefen, habe Deutschland der Fluch der Schaudeund Eruiedriguug getroffen. In seiner trümmerhasten Uuvollendungsei er ein Bild deutscher Verwirrung. Stürmischer Beifall vonallen Seiten! Max von Scheukendorf sang:

Auf dem alten Grund erheben,Neu geweiht von frommer Hand,Sollt ihr euch ,',um jungen LebenBurgen, Kirch' und Vaterland.

Harret nur noch wenig Stunden,Wachet, betet nnd vertraut,Denn der Jüngliug ist gefunden,Der den Tempel wieder baut!

Es dauerte eine Reihe von Jahren, ehe thatsächlich begonnenwurde. Die Bulle cle s-rlute animaruiu (1821), welche das KöluerErzbistum wieder errichtete und den Dom seiner Bestimmung zurück-gab, hat kräftiger gewirkt als all das Dichten und Schwärmen.Denn endlich hatte dieses Zweck und wirkliche Ziele. Und wenngleich draußen die Romantik noch lange mit der Stange im Nebelhernmsahrend, glaubte, es handle sich hier in erster Linie um einkünstlerisches und vaterländisches Unternehmen, war die Geistlichkeitklarereu Sinnes nicht im Zweifel darüber, daß es sich um einkatholisch-kirchliches handle. Auch Schiukels Berliner Dom war im