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vornherein ein Denkmal von Deutschlands politischer und derdaraus erwachsenden geistigen Ohnmacht. Wieder aufgenommeilwurde der Bau als Denkmal von Deutschlands Sieg überFrankreich , über jeue höchste Mnchteutsaltung unserer west-lichen Nachbarn unter Napoleon I. ; durchgeführt vom Opfer-sinn der ganzen Nation, die sich über konfessionelle Bedenkenhinwegsetzte; geweiht unter einem deutschen Kaiser, der freilich nichtnach dem Sinne der Kirche war, nach der Wiederaufrichtung desReiches durch die Kraft des Volkes, wie sie sich in dem zur innerenSicherheit gelangten Kaisertum äußert. Wieviel mehr hat der StaatPreußen als der römische Papst für diesen Bau gethan! Wo istder Dom, den der Kunstsinn der Kirche in unserem Jahrhnndertin Rom geschaffen hätte, selbst solange Rom einen selbständigenStaat beherrschte? Es thut gut, festzustellen, daß sich der Erz-bischof von Köln den Opfersinn des Volkes gefallen ließ, dnrch welcheMittel dieser auch gereizt wurde; daß aber nicht er den Kölner Dom baute, sondern das deutsche Volk in seinem romantischen Schaffens-drang, der nicht danach fragte, wem der Vorteil auS diesem Baueu zufiel!
Die Ansicht, daß die Gotik der kirchliche Stil, der katholischeStil sei, hat am sich Rhein wie auch sonst allgemein festgesetzt.Keiner vertrat sie leidenschaftlicherer wie August Reichensperger während seines gauzeu laugen Lebens und öffentlichen Wirkens.Man kann sich des geradsinnigen Polterers in seiner zweifellosenAufrichtigkeit, sobald mau Auderen ihre Meinung zu lassen gelernthat, nur freuen: er ist herzlich einseitig, aber er ist herzlich.
Das Ergebnis der romantischen Begeisterung war, daß diekatholische Kirche in Deutschland und Österreich fast ausschließlichin mittelalterlichem Stil baute, daß ihre Vertreter in der Kritikund Kunstwissenschaft an dem Grundsatze festhielten, diese seien dieeigentlich kirchlichen, lind die heidnische Antike wie die ungläubigeRenaissance seien für das katholische Gotteshans nicht geeignet.Sie that dies mit einem gewissen Recht, solange sie sich gegen dieAntike allein zu wenden hatte. Denn solange man vom Künstlerforderte, daß er aus dem Geist der Alten schaffe, mußte mau auch vomBau erwarten, daß er dieses Geistes voll werde. Die rationalistischeZeit hatte Tempel gebaut, Tempel des Schönen dargebracht am Altar