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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Die Jesuitein Neue Bestrebuuze».

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nahmen das Wort. P. I. Kleutgeu in seinen Briefen aus Rom(1869) dürfte der erste gewesen sein. Man rühmt an der gotischenBauart, das; sie znm Gedanken an Gottes Unendlichkeit erhebe, undmit frommem Schaner vor seinem geheimnisvollen Wesen erfülle.Wohl! aber ist deshalb der Gedanke an den Reichtum der Liebe,die Erinnerung an die Güter, die sie uns bereitet, die Empfindungseiner traulichen Nähe weniger christlich? Es ist dies eine wunder-bar seine Form, in der der Jesuit die reichen Bauten seines Ordensaus der Symbolik rechtfertigt; mußte er doch desseu ganzes bau-liches Wirken verurteilen, wollte er der Gotik die Alleinberechtigungzugestehen.

Und dann: Er kam aus Rom, diente einem Orden, dernationale Beschränkungen nicht kennt. Seine Gegnerschaft richtetsich, wenn auch mit Borsicht, gegen den ihm kleinlich erscheinendenGrnnd für die Gotik, daß sie altdeutsch sei. Reichensperger undviele der hinter ihm Stehenden waren und sind gute Deutsche. Siesiud's aus Überzeugung und mehr noch uach ihrem Empfinden.Aufgewachsen in deutscher Romantik sperren sie sich gegen die vonaußeu kommenden Anschauungen. Rom war aber nie romantisch:Johannes sah, wie Kleutgen ausführt, das himmliche Jerusalemgeschmückt wie eine Braut auf die Erde sich niederlassen. Im Festder Kirchweihe betrachten die Katholiken die Kirche als das Bildder himmlischen Gottesstadt, werden sie an die Seligkeit des Friedens,die mit bräutlichem Schmnck versehene Erhabenheit erinnert. Dem-nach müsse man dem Geiste der heiligen Religion angemessen dieKirchen so bauen und schmücken, daß die Gläubigen, insbesonderedie Armen, deren Anzahl größer ist, erquickt und gestärkt werden;und das geschehe dnrch die Hoffnung auf die Güter, die Gott denen, die ihn lieben, bereitet hat. lind diesem Zwecke entsprechendie berühmten Kirche» Roms. Ist denn, fragt Kleutgen, die Kunstso arm an Formen, daß sie das Schöne mir in einer darstellenkönne? Oder das Christentum so arm an Gedanken, daß mir jenewahrhaft christlich seien, die in einer gewissen Art von Formenihren Ausdruck finden?

Einen Wandel in diesen Anschauungen versuchte erst seit 1884der steierische Kunsthistoriker Professor Johann Graus, selbst