286 V. Die Romantiker.
katholischer Geistlicher, durch verschiedene Aufsätze und endlich durchdas 1885 erschienene Druckheft Die katholische Kirche und dieRenaissance herbeizuführeu. Er fand nur teilweise Zustimmung, diewichtigste bei deu österreichischen Behörden, welche die Denkmalspflegezu überwachen haben. Die Romantiker zu überreden ist ihm aber nichtgelungen. Sein Ziel war die Freiheit der Stile, die Beseitigungder Stilzwangsjacke. Die Kirche sei keine gotische, sondern eineallgemeine, ihr Gebiet müsse das der ganzen Knust sein. OmnisSpiritus lancier Dominuni! Seit achtzehn Jahrhunderten, erläutertGraus, gab es eine christliche Kirche, aber nur etwa von 1200—1500und eigentlich nur bis 1400 solle sie wahrhaft christkatholische Kunsthervorgebracht haben? Diese drei kurzen Jahrhunderte waren dienachzuahmende Blütezeit für die Nomantiker geworden, ebenso wiedie Hellenisten in der kurzen Spanne Zeit ihr Ideal erkannten,in der das Perikleische Athen blühte. Die Welt hatte umsonst ge-arbeitet durch die Jahrtausende gegenüber der naschhaften Ab-schmeckerei der verwöhnten Zeit. Nur eiu paar der besten Früchteschienen ihr genießbar, alle anderen wurden verachtet.
Man könnte die selbstgefällige Wiederholung derselben Formenim katholischen Kirchenbau, dies früher uic gesehene Wiederkäuenschon verdauter Kost ruhig mit ansehen, thäte es einem nicht leiddabei um die deutsche Kunst, die so gar zum Stillstand verurteiltwird. Es ist einem so einsichtigen Manne wie dein Mainzer Dom -kapitular Friedrich Schneider nur zn danken, daß er den Versuchmachte, die Formen des Grundrisses zu bereichern. Er erkannte,daß bei der größten Zahl der kirchlichen Neubauten die erste Sorgeauf die stilvolle Ausbildung gelegt worden sei, daß die architek-tonische Schablone vielfach Zweckwidrigkeiten herbeigeführt habe.Wozu die fast als Regel angewendete Dreischisfigkeit selbst bei Pfarr-kirchen , die für etwa 1200 Menschen sv einzurichten seien, daß man dieVorgänge am Altar sehen und Predigt und priesterlichen Gesang hörenkönne. Er weist auf die einschiffigen Bauten der verschiedensteu Jahr-hunderte, namentlich auf die Südfrnukreichs hin. Aber er fand wenigBeifall. Josef Prill, ein Schnllehrer, der dnrch seine Mitwirkungan der Verballhornung der romanischen Kirche zu Wechselburg inSachsen bekundet hat, daß er in Baufragen mitzureden berufen