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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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313
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Kaulbach als Maler, Der Geist der Geschichte. Abfällige Urteile. 31Z

Zerstörung von Jerusalem, dann die ganze Reihe des Berliner Treppenhauses in der Überzeugung, auf einem der Gipfelpunktealles menschlichen Wirkens zu stehen. Immer tiefer suchte er durchfleißiges Lesen in die Geheimnisse, den Geist der Weltgeschichte ein-zudringen, nicht die Vorkommnisse, sondern die ans ihnen sichergebende philosophische Erkenntnis zu fassen. Die ZerstörungJerusalems ist ihm nicht ein römisches Strafgericht an einer be-liebigen orientalischen Stadt, sie ist der Abschluß eines großeu aus-gelebten Reiches, einer ganzen Gesittung; er malte, wie er selbstsagte, den Geist Gottes in der Geschichte, die Allgegcnwart des un-sagbaren Etwas, das über den Wassern der Genesis schwebte, dasaus der Geschichte und ihren großen Tagen zu ihm redete. Erwollte kein Saloustück geben, sondern das hohe Lied der Tragödieder Menschheit, wie es nur die Orgel spiele in den Kirchen; bran-sende Tonslut in majestätischen Wirbeln! Liszt, Guido Görresund andere haben seine Bilder in Musik gesetzt.

Kaulbach war der gefeierte Verwirkliche:.- einer in unseremVolke lebendig gewordenen ästhetischen Ansicht über die höchstenZwecke der Kunst. Und wenn Einheit in Wollen und Vollbringendas künstlerische Glück machen, so ist Kaulbach ein gewaltigerMeister. Lessings Bildern fehlte für jene Zeit die packende Hand-lung; Bendemanns Jeremias und trauernde Juden stellen Empfin-dungen, nicht Thaten dar; Kaulbach läßt sowohl die dargestelltenHandelnden wie die Zuschauer über daS Geschehende empfinden.Hier atmet der Geist der nenen Zeit, nicht schlaffe Lyrik. Gegendas jüngste Gericht von Cornelius gehalten lockt bei ihm leichterund kühner Wurf der Gruppen, Schönheit, ja Schönheit selbstdort, wo die Erregung am mächtigsten war, Schönheit im Zorn,in der Verzweiflung, im Tode!

Auch die Farbe hatte Kanlbach mit in das Kunstwerk gezogen,nm seine Wirknng zu heben. Die Farbe war minder kräftig, als mansie von den Düsseldorfern damals schon gewöhnt war, aber sie er-schien der älteren Schule als ein Eingriff in das Gebiet des ab-strakten Idealismus, das Cornelius umzeichnet hatte nnd dener in Berlin nun neben Kaulbach in seinen Arbeiten für denCampo santo in ernster Würde übte. Man nahm leidenschaftlich