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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VI. Die historische Schule.

Partei. Der Maler, der spater so viel darunter zu leiden hatte,daß er der stärkeren koloristischen Ausbildung nicht zu folgen ver-mochte, wurde iu seiuen ersten Arbeite» von deu Älteren aufsheftigste um des Gegenteils willen verurteilt. Preller, der nochmit Goethes Wohlwollen Gesalbte, fand, daß Cornelius ein größeresFarbentalent sei als Kaulbach und Konsorten. Bon Kaulbach,den er höhnend den modernen Kunstheros nennt, sagte er, seineZerstörung Jerusalems sei um vieles schlechter als eiue Stob-wassersche Schnupftabaksdose. Das sei die Misöre iu großemMaßstabe. Vielleicht wäre er ein besserer Genremaler geworden,zum Historienmaler sei er zu geistesarm, er würde seine Kunstselbst überlebeu. Menzel sei sein Gegensatz; der sei auf dem Wege,Großes zu leisten, Kaulbach wolle aber immer das, was er nichtkönne; sein Schönheitssinn ziehe die Menge an, befriedige aber nie-mals die, welche hinter der Schale den Kern suchen.

Preller ist nicht der erste und war nicht der letzte, der injedem Kunstwandel den Untergang der Kunst sah. Es ist abervielleicht gut, sich klar zu machen, daß der Unkenruf, der zu allenZeiten erklang, auch ertönte, als die Männer auftraten, die heutedie Jungen mit demselben Tone begrüßen.

Mehr noch beschäftigte Kaulbach in Gunst uud Uugunst dieGeister durch seine Tendenzbilder, durch das Eingreisen in dieTagesfragen mittels der Knust. Darin war ihm Lessing voraus-gegaugeu. Hat dem? wirklich unsere Zeit keine Substanz, riefBischer 1842, uuser Bewußtsein keine Heimat, uuser Wille keinPathos? Er führt aus, daß die Religion Neues nicht biete, wiees die Zeit fordert, daß eiue allgemeine unendliche Unsicherheitin der Wahl der Gegenstände uud als Folge ein Ringen nachneuen Lebensformen in die vom Boden des Bolksbewnßtseins ent-wurzelte Kuust gekommen sei. Eins aber bleibe: ein Stoff, aus demdie werdelustige Zeit die Kraft zu neuem Lebeu schöpfen könne. DieVergangenheit, die Geschichte! Wir leben uns in die großen kri-tischen Momente der Geschichte ein, in die Glanzblicke, wo die be-wegende Seele des Völkerlebeus auf die Oberfläche emportaucht.Thne die Kuust desgleichen! sie male uns immerhin Götter; aber dieGottheit, die uns in der Geschichte erscheint, die Geister der Ge-