Tendenzbilder. —
Die jungen Kritiker.
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schichte; so wird sie in die Herzen des Volkes erschütternd dringen.Greife zur Geschichte! rief auch Julius Meyer , so rief jeder Ästhetikervom ersten zum letzten: Male die großen Wendevuukte, in denensich der Geist zur entscheidenden, die Geschichte einer Welt bestimmen-den That zusammenfaßt; aus denen seine Unendlichkeit in einenStrahl gesammelt leuchtet, und du wirst das moderne Idealschaffen, das keinem früheren an Gehalt oder an Schönheit nach-stehen wird! Nicht den Gott wollte mau sehen, der in Wundernvon außen in die Geschichte eingreift, sondern den, der sie in ihremunzerreißbaren Zusammenhang offenbart, den sollen die Maler dar-stellen. In Kanlbachs Jerusalem tadelten diese Kritiker nicht wieandere den Gegensatz zwischen Poesie und geschichtlicher Richtigkeit,sondern das Eingreifen des Wunderbaren, der Propheten, Engel,des ewigen Juden. Das heißt für Bischer den göttlichen Geist derGeschichte nicht im Bilde geben, sondern neben das Bild klexen,durch mythische Nachhilfe den erhabenen Stoff verderben. So seienKaulbach wie Cornelius, trotz dessen herrlicher Zeichnungen zumNibelungenlied von der Geschichte zur Mythe abgeschwenkt, währendin jener noch gewaltige ungehobene Schütze liegen. Auch JuliusMeyer warf Kaulbach vor, daß er nnr den geläufigen Apparat deralten Kunst hervorhole, um das, was er in seiner eigenen Er-scheinung nicht recht sasseu könne, wenigstens annähernd durch dienoch immer dankbaren Figuren einer vergangenen Phantasiewelt zuverbildliche». Aber diese Welt sei längst ein leeres Zeichen, derSchemen einer begrabenen Götterwelt; der mythologischen wie derwirklichen Welt habe er durch die unreine Vermischung beidergleich übel mitgespielt.
Mit diesen ästhetischen Borwürfen wäre Kaulbach schwerlich inder Gunst der Maler, des Volkes gestürzt worden. Das entscheidendeWort sagten die jungen Kunsthistoriker, die nun zu größtem Einflußauf die Massen kamen, die Presse und mit ihr die Geister beherrschten.Julius Meyer, Anton Springer , Alsred Woltmann undandere. Sie hielten Kaulbach vor, er habe als Künstler nicht genuggelernt, er sei ebenso wie Cornelius unfähig, die Dinge wirklich durchdie Kunst glaubhaft zu machen. Er müsse das vou der Ästhetikgehätschelte Vorurteil ablegen, daß ideale Entwürfe der Aus-