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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Abfall von der Antike.

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Die Kunstgeschichte wurde zu einer führeuden Wissenschaft, siebegann der Folgezeit die Kritiker zu stellen.

Betrachtet man den kunstgeschichtlichen Betrieb nach demGegenstande, dem sich die Wisseuschast widmete, so ist das auf-fallende Merkmal der zweiten Hälfte des Jahrhunderts der Nieder-gang der Anteilnahme für die Antike. Freilich, wenn man denUmfang der Studien nach den Vorlesungsverzeichnissen unserer Uni-versitäten benrteilt, so sieht die Sache umgekehrt aus. Jede Uni-versität hat ihre Archäologen. Geschichte der alten Knnst, ihreNebemvissenschaften werden tiberall gelesen, selbst dort, wo dieneuere Kuust keine Vertreter hat. 1829 gründete Preußen das1874 an das Reich übergegangene Archäologische Institut iu Rom,um die Kenntnis der Denkmäler zu fördern: in Athen besteht eineSchwesteranstalt: beide haben ihren Mittelpunkt in Berlin . Da dasLateinische uud Griechische in unseren Gymnasieu, das Lateinischeauch in deu Realgymnasien nach wie vor gepflegt wird, so besteht einweit verbreiteter Stand klassisch gebildeter Lehrer und in diesem eintrefflicher Untergrund zur Verbreitung der Liebe für alte Kunst.Die griechische Plastik eiguet sich vorzüglich zur Nachbildung in Gips,wird durch die Umrißzeichnung wie durch die Photographie besserwiedergegeben als etwa die Bilder der neueren Kuust kurz, essind alle Vorbedingungen vorhanden, und waren es durch dasganze Jahrhundert, daß die antike Knnst die am besten Erkannte,die am tiefsten in das Tagesleben Eingreifende sei und sein werde.Unsere großen Dichter, die in den Händen aller sind, nahmen ihrenInhalt auf, die Übersetzer haben die alten Dichter zum Gemeingutgemacht, unsere größten Denker haben sich mit den Gesetzen alterKunst beschäftigt, unsere Künstler dienten ihr.

Und doch ist die Strömung des Jahrhunderts die wachsenderGleichgültigkeit gegen dieKlassik". Sie läßt sich in allen Künstenverfolgen, sie zeigt sich im öffentlichen Leben. Selbst so gewaltigeAnreize, wie sie durch Schliemanns Grabungen, durch die Auf-deckung von Olympia, durch die Funde vou Pergamou gegebenwurden, haben dies nicht ändern- können. Es fehlt der Archäologiewahrlich nicht an tüchtigen Männern. Winckelmann ist nicht ohneNachfolge geblieben. Ottfried Müller, F. G. Welcker, Otto Iahn,