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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VI. Die historische Schule.

Brunn, Michaelis, Curtius, Treu, Fnrtwängler und Benndorf , umnur au einige Namen zu erinnern, haben immer wieder aufs neuedas ganze Gebiet umzuackern versucht, und nicht bloß durch Einzel-forschung, sondern durch geistiges Verarbeiten der gesamten Er-kenntnis, es zn einem dem Volk fruchttragenden machen wollen.Die antike Kunstgeschichte, an der sich mehr wie an anderen histo-rischen Wissenschaften alle Völker gemeinsam beteiligen, da alledas gleiche außerhalb nationaler Voreingenommenheiten liegendeStreben habeu, ist durch deutsche Forscherarbeit gewältig unigestaltetworden. Der vornehme Raug, deu Winckelmann den Deutschenunter den Erforschern der Kunstaltertümer gab, ist nicht verlorengegangen, obgleich wir so lange unter den großen Wettbewerberndie geringsten äußeren Mittel zur Verfügung hatteu. Und dochder Rückgang; doch die Klage der gefeiertesten Hochschullehrer, daßsich ihre Lehrsäle leereu; der Sammlungsleiter, daß andere Museenbesser besucht sind; die sich mehrenden Vorschläge, wie dein Schwindender Teilnahme durch Änderung der Prüfuugsordnung für die zurKunst zu zwingenden jungen Philologen und andere geistvolle Mittelabzuhelfen sei. Wiuckelmanns Auftreten beschäftigte ganz Deutschland .Noch heute feiern seine Nachfolger iu der autikeu Kunstgeschichtealle Jahre ihr Winckelmannfest. Aber man hat sie mit boshaftemDoppelsinn, leider nicht ohne guten Grund, die Winckelmännchengenannt.

Nicht die Gründe hierfür sollen untersucht werden, sondern dieThatsache ist festzustellen. Die Teilnahme hat sich der neuerenKunstgeschichte mit größerer Lebhaftigkeit zugewendet, obgleich fürdiese alle Bedingungen ungünstiger lagen. Eine Probe: Es giebtkeine nicht vom Staat unterstützte, wirklich von den Gebildeten ge-lesene Zeitschrift, die sich allem mit Altertumskunde beschäftigt; esgiebt dereu wenige, welche die Kunstgeschichte im ganzen behandeln,und in diesen spielt die Archäologie eine sehr untergeordnete Rolle;es giebt sehr viele, die die neueste Kunst Pflegen. Die Archäologieals ältester Zweig der Kunstgeschichte hat es glücklich dahin gebracht,ein Tummelfeld für Specialisten zn werden; sie redet, wenn siewissenschaftlich wird, eine unverständliche Sprache. Einst Be-herrscherin des schöngeistigen Denkens unseres Volkes ist sie heute