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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VI. Die historische Schule.

vor bestimmte. All die Dinge, die von ihm gefordert werden,sind nicht ans dem Wege künstlerischen, sondern wissenschaftlichenSchaffells zn suchen, all diese können auf einem Zettel nieder-geschrieben, ans Buchanszügen zusammengetragen werden, ehe auchnur die erste Linie einer Skizze aufgezeichnet ist; all dies kannman klar nnd geistreich schassen, im Gedanken herstellen, selbst wennman auch uicht weiß, wie ein Bleistift gespitzt und ein Pinsel ge-waschen wird. Nnd: ein gut ausgewascheuer Pinsel, pflegte meinBater zn sagen, ist der Ansang aller Malerei. Der Inhalt hattenur iusoferu eine Auderuug erfahre», als er nicht mehr auf tran-scendentale Dinge, sondern auf Menschen ausging, ans Menschen inHosen und Röckeu oder iu Toga und Chlamys; nnd auf Dinge,die es in der Wirklichkeit gab oder doch gegeben haben soll.

K. F. Lessing malte seine Hußbilder, seine Darstellungen ausLuthers Leben; Kaulbach seiu Zeitalter der Reformation, in dessenMittelpunkt Luther steht, seiuen Peter Arbnes. Zahlreiche ähnlicheBilder entstanden; protestantische Glaubensheldcn, Dnlder für Freiheitnnd Recht, Kämpfer für das Wohl des Vaterlandes und des Volkeswurden auf riesigen Wänden und auf Leinwand dargestellt; einZeitalter historischer Kunst brach los, das sich an Umfang der zuleistenden Aufgaben mit Unrecht für geringer als die Renaissancehielt. Alle deutschen Staaten wetteiferten in der Aufgabe, denMaleru Flüchen zur Verfügung zu stellen. Welch riesige Auf-gaben in Bayern, in der Glyptothek , in den Arkaden des eng-lischen Gartens, im Königsbau, der Allerheiligenkirche, der Residenz,der Bonisaziuskirche, der Nationalgalerie alle in München . Wäreeine wahre Lebenskrast in dieser Kunst gewesen, so hätte sie etwaswahrhaft Packendes zu schaffen reichlich Zeit und Gelegenheit ge-habt. Aber müde schleppte sich der Pinsel über die Flüchen, dieBilder wurden von Jahr zu Jahr schlechter. Auch sonst fehlte esuicht an Aufgaben bis in die letzte Zeit hinein. Wenngleich dasFresko bald andere Techniken ablösten, Techniken, in denen demWunsch ans Echtheit der farbigen Darstellung des Stofflichen besserentsprochen werden konnte, so blieb doch die Absicht dieselbe. DerBesteller wollte Gedanken an den Wänden haben; der König befahl,daß die Vaterlandsliebe, die Liebe zum allerhöchste» Hause, die