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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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West. Etty,

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Aufbau! Seit in diese ein Wandel kam, horchten die Künstler ganzEuropas plötzlich auf den von Paris herttberschallenden Töue.

Die beiden großen französischen Romantiker Gericault (1820)und Delaeroix <1825) zogen nach London , um dort die Wahr-heit, die Kraft des farbigen Ausdrucks zu suchen, sich in ihr zustärken. Dort allein konnte man damals malen. Eben war West,als Präsident der Akademie Reynolds Nachfolger, gestorben, einmit Ehren überhäufter, freilich schon überalter Mann, der auf denGang der Dinge wenig Einfluß mehr hatte. Unter den jüngerenGeschichtsmaleru - in einem Gebiete, das sonst nicht mehrin England bevorzugt war, trat William Etty damals mit kräf-tiger Begabung hervor. Er war der erste, der im Ton mit Ent-schiedenheit an Rubens anknüpfte uud von diesem lernte, daß nichtdie Sauberkeit der Abrunduug und Sorgfalt der Einzeldnrchbilduug,sondern die Kraft der Farbe, des Gesamttones dem Bilde dieHaltung gebe, daß man nicht nur in Linien, sondern auch inFarben komponiereu töune. Er gab seinen riesigen Bildern denEinklang von Gelb und Rot, den vermittelnden Goldtou wieder,der inzwischen verloren gegangen war und verband ihn mitReynolds aus dem Rokoko gerettetem Verständnis für die Glieder-ung der Fläche durch Licht uud Schatteumasseu. Ettys Bilderfreilich, die einst so viel Staub in England aufwirbelten, ihm diebittersten Vvrwürfe als einen Verführer der Jugend uud vondieser jubelnde Zustimmung als einem Genossen Byrons im Kampfgegen die Prüderie einbrachten, sind von der Welt verschwunden;er benutzte beim Malen das verräterischeste aller Erzengnisse derneuen Farbenchemie, das Asphalt, um dessen weichen brannen Tonin die Farben einzumischen. Es hat sie völlig durchfresseu, zerrissen,vernichtet, so daß man sich nur noch mühselig die beabsichtigteWirkung klar machen kann, die ganz England einst mit Ausreguug,mit Abscheu oder Bewunderung erfüllte.

?ks unsopkistieatsä lluin^u tornr" war Ettys Ziel: GottesWerk ohne Faltenwurf. Ein schlichter Mann ohne viel Gedanken,stets bemüht, sein Schaffen vor der Welt zu verteidigen, ihr zuerklären, daß die Sinnlichkeit seiner Bilder sittlich, eine Berehruugs-form für Gottes schönste Schöpfung, das Weib sei; daß nur