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VI. Die historische schule.
Vorurteil und Perstandesenge sein Thun anzugreifen vermögen. Erhatte nnr einen Gedanken: Die Masse, die Weichheit, die Kraft desFleisches zn malen, wie sein großes Vorbild in Antwerpen . SeineGestalten thun nicht viel, auch sind ihre Bewegungen gleichgültig;sie haben die Augen offen, sehen aber nicht; der Mund sprichtnicht; Etty malt nicht Begebeuheiten, sondern deren Aussehen; erwill in Farben schwelgen. Die Folge seiner Töne ist nicht vielseitig,aber er packt immer wieder durch deu Glanz, die Leuchtkraft, dieMeisterschaft im Vortrag: ein Maler, kein Dichter!
Delacroix besuchte ihu in seiner Werkstatt. Der Franzose warein anderer. Auch er hatte den Rubens neu entdeckt. Schon seinberühmtes erstes Bild, Die Barke des Dante, sprach jeder aufden Ton des Vlamen an. Aber damit war dem nervösen, leiden-schaftlichen, heftigen Gemüt des Franzosen nicht genug. Die Er-regung der Zeit der uahenden Revolution, der Widerstreit gegendas Bestehende, die Aüslehnung gegen die trocken gewordene Lehreder Akademie, gegen die großsprechendeu Plattheiten der Klassizistenpochen in heftigeu Schlügen an das Herz des körperlich Schwachen,mit seinem Volke Leidenden, nnr in stürmischen äußeren Aufwallungeninnerlich Beruhigten. Auch hier wie in Deutschland denkt manvor dem Bilde zuerst an den Inhalt. Aber nicht in prüfenderErwägung, fondern in heftigem Mitgefühl oder Abscheu. Er willuns ins Gesicht, gegen die Brnst schlagen; er will der stumpfenWelt einen Stoß geben; er kämpft gegen die Lauen und ihre fadeFreude am Wesenlosen, Verschwommenen, Gefälligen: das Häßlicheist das Schöne! Das Eigenartige, Packende, Ergreifende reißt ihnhin, führt ihn aus der Gemeinheit des Daseins, ans der unedlenZufriedenheit mit halben, unfertigen, bedrängenden Verhältnissen zurbefreienden That, zur Gewalt gegen das Schlechte, zum rücksichts-losen Kampf gegen die Nücksichtnehmerei, gegen das Hergebrachte,Abgelebte, Ersterbende. Die große Revolution war sentimentalgewesen; sentimental bis znr Vernichtung des dem schwärmerischerfaßten Begriff von Freiheit, Brüderlichkeit, Gleichheit Wider-strebenden; fie hatte äußerlich, künstlerisch sich in dem Fernliegenden,Weltentsremdeten, in einer vorbildlichen kühleren Zeit wieder zufinden geglaubt. Jetzt kam der Zornesmut in die Kunst, der nicht