Borne und Heine. — Die Romantik des Grausens.
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Die „Heiligkeit des Sujets" hindert ihn daran: das Bild stellteinen Vorgang aus der Julirevolntion dar. Heilige Julitage inParis , ihr werdet ewig Zeugnis geben von dem Uradel desMenschen, der nie ganz zerstört werden kann! Heine ist voll vondem Gedanken, die Revolution zn verherrlichen. Doch, rnft eram Schlüsse seiner herzlich einfältigen Phrasen aus, ich vergesse,daß ich nur Berichterstatter einer Ausstellung bin! Auch wenner es nicht vergessen hätte, würde ihm das wenig geholfen haben;denn ihm war die Kunst ein mit sieben Siegeln verschlossenes Buch,ihn reizte nur der gemalte Widerstand, die Auflehnung gegen dasBestehende. Und er sah nicht, daß diese im Ton des Bildes lag,den er so verhöhnte; in der künstlerischen Auffassung, die er uichtverstand; daß eiu Bild den ersehnten revolutionären Zug habenkönne, selbst wenn es den Sieg des „aneisu rsZiras" darstelle.
Wenn man Börnes und Heines Briefe aus Paris aufmerksamliest, so wird man weniger dnrch die Liebe sür das Französischeund den Hohu auf das Deutsche betroffen als durch die steigendeUmwandlung ihrer Phantasie in eine französische. Ich möchte aufdie Empfindung des Grausens hinweisen als auf eine der eigentüm-lichsten sür die französische Romantik. Delaeroix' Bewunderer,sagt Adolf Stern , mußten die Hoffnung aufgeben, ihn je zurhöchsten Stufe der Kunst emporsteigen zu sehen, da eine gewisseäußerste Spannung, die Neigung zum Schauerlichen und Wildenvon seiner Begabung unzertrennlich war. Diese höchste Stufe istsür jene Zeit noch die olympische Ruhe und Gemessenheit. Dela-eroix erreichte diese nie. Daran ist vor allem das Grausen schnld.Man sehe nur seine Hauptwerke durch: Dante und Virgil in derHölle, Die Metzelei vou Chios, Sardanapal. Das letzte ist be-zeichnend: Der Großfürst auf dem Scheiterhaufen, neben ihmdie Weiber, Tiere, Diener, die er liebte und die er erwürgenläßt, damit sie mit ihm verbrennen. Todesgranen inmitten über-reichen Daseins, die Wollnst im Vernichten des Schönen; dasists! Mit Delaeroix kommt die französische Nervosität ans Ruder,die vou inuerem Schütteln gepeitschte Sinnlichkeit, deren letzte,geilste Freude das Vernichten ist; das Wegwerfen dessen, wasnicht mehr genng reizen kann, das Wühlen selbst im Ekelhaften;