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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Die Romantik des Grausens.

Französische Nervosität.

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kräftigem Wolle» durch die Welt gehen, nur im Lärm ruhig sind,während jene die Stille suchen.

Die Nervosität ist dein französischen Schaffen eigen geblieben.Die Hast der gallischen Rasse trieb sie in der Dichtung wie in derKunst zu immer nenen Reizmitteln. Mit der Entsittlichung vonParis , die unter Napoleou III. ihreu Höhepunkt erreichte, derlauten lustigen Rücksichtslosigkeit des Siuneulebeus und der heim-lich schleichenden Verachtung der Familie ging eine wundersameKunst daher! Was alles wnrde gemalt! Die ganze Geschichtewurde durchforscht uach Perbrechen, nach grausigen Geschehnissen.Der muhamedanische Osten war beliebt, weil er dem Norden anjener kalten Selbstsucht überlegen war, durch die sich die nerven-starken Völker als Herren behaupten, den Feind ohne Erbarmenvernichtend. Welche Freude, wenn in der Darstellung des Grausigenein Schritt weiter geschah, das Blut der Enthaupteten in breiterLache über die blendend weiße Marmortreppe herunterzufließen schien,zum Greifen wahr, zum Erbleichen gräßlich!

Freilich, wenn ein deutscher Landpastor oder ein JenenserUniversitätsprofessor vor diese Bilder trat, so konnte er sie nichtverstehen, so kunstverständig und gebildet er sonst sein mochte.Wozu diese Erregungen! Was gehen uns all diese Gräßlichkeiteu an?Spricht aus ihnen nicht nur Lust der Maler, auszufallen, die Be-schauer und mit ihuen den Ruhm an sich zu locken?

Der Beifall, den ihre Werke dauernd fanden, ist ein Gegen-beweis gegen diese Annahme. Die Bilder hatten nnd haben ihrestarke Gemeinde. Wer die Erregungen des sranzösischen Volkesetwa während des deutschen Krieges beobachtete, ihre blutrünstigenPhantasieerzeugnisse, ihre Begeisterung für Schlachten berichte, indenen dem Feind das Gräßlichste an Roheit, Gewaltthat oderVernichtung angedichtet wurde; wer dauu Gelegenheit hatte, Blätter,wie den ?ers I-aelmiss zu lesen, der den Parisern Bericht überdie Schandthaten ihrer Landsleute in Versailles Erachte: wer alldiese hysterischeu Überreizungen des französischen Volkes in Grausenund in Aufbrodeln der Gerechtigkeit gegen dieses, die zumeistSchwäche ist, in Blutthat uud iu höhnendem Zugeständnis derSelbstsucht beobachtete, der wird den Malern als Propheten und