Wenzel als Realist, — Menzel als Geschichtsmaler.
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losen Wahrheitsliebe seiner Kunst innewohnt. Das Bild steht festin seiner Wirkung nun schon seit einem halben Jahrhundert uudes wird sest stehen in alle Ewigkeit. Alles andere, alles Stilvolle,Höhere, Ideale ist inzwischen zusammengebrochen, hat sich als halb,linkisch, unwahr erwiesen. Alles Geistreiche ist sad geworden.Aber das bei aller Meisterschaft der Darstellung Kindliche, Un-befangene dieses Bildes bleibt auf der Höhe, überdauert die Zeiten.Sein Inhalt ist fast ein Nichts und doch enthält es mehr alsdas Lebenswerk anderer, die den ganzen Weltkreis in Bewegungsetzten, um Stoss sür ihre Bilder bei zu bringen. Es enthältechte Wahrheit, Selbständigkeit; es ist ein Menschenwerk, nicht einSchablonenwerk, empfunden, erschaut, wiedergegeben mit der ganzenEhrlichkeit eines Mannes, dem die Knnst der Lüge von vornhereinversagt war.
Durch die Wahrheit wurde Meuzel zum größten Maler seinerZeit. Die Tafelrunde Friedrichs des Großen in Sanssouci ent-stand 1850, also in einer Zeit, in der Belgien ans Deutschland zu wirken, die Auswanderung der Berliuer Künstler nach Paris begann. Welchen Vorsprung hatte Menzel vor jenen! Ein völligesBeherrschen der Leinwand in der Einheit des Tones, eine Klarheitund Feinheit im Beobachten des Lichts, eine Freiheit den Regelnder damaligen Malerei gegenüber, die jede Farbe zur höchsten Kraftzu steigern, das Bild zu eiuem Mosaik leuchtender Töne zu machenbestrebt war. Wohl wäre Menzels Riesenthat nicht denkbar, ohneAnlehnung an die Kunst der Alten. Aber sie war wiederumeine solche, die das Mittel alsbald überwindet und sich zum Herrnmacht. Man sncht vergeblich den einzelnen Maler, der ihmVorbild gewesen wäre. Mit einem Schlage ist das moderneGeschichtsbild geschaffen. Vollendet richtige Wiedergabe einer ver-gangenen Zeit, aufgebaut auf eiuem künstlerischen Sehen des Ver-gangenen, ebenso auf einem dies vorbereitenden formenwissen-schastlichen Erkennen und Können. Dabei vollendet eigenartigemoderne Auffassung. Ein Bild, welches das 18. Jahrhundert nichtschaffen konnte, weil es bis in jeden Faltenzug der mit emsigstemFleiß nach alten Bildnissen zusammengetragenen Köpfe ein Zeugnisfür deu malerischen Realismus des 19. Jahrhunderts ist.