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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VII. Das Streben nach Wahrheit.

Es ist für Menzels Entwickelung gewiß ein großer Segen ge-wesen, daß sein Fortschreiten Knglers verständnisvoller Beifall be-gleitete. Schon bei dem ersten Auftreten, 1834, begrüßte dieser ihnals einen ganzen Mann, dessen Talent nicht gewöhnlich sei undder Bedeutendes für die Zukunft verspreche. Vor Menzels geschicht-lichen Entwürfen kam Kugler mit sich selbst in Zwiespalt. Ervermißte die Großartigkeit, die lautere gesetzmäßig geordnete Ge-wandung, treffliche Gruppierung, höhere Auffassung. Aber er er-kannte, daß bei jungen Künstlern von bedeutender Begabung dieSonderart überwiege; er brach daher nicht den Stab über das,was diese bringt; sondern freut sich der lebensvoll künstlerischenSchöpferkraft, wenn sie die Gesetze des höheren Stiles geschichtlicherDarstellung auch uoch uicht erreiche. Ebeuso begrüßte Kugler dieLebenswärme und Kraft der Farben schon in Menzels ersten Öl-bildern 1837, die Reinheit der Luftpcrspettive und des Helldunkels,den Einklang des Ganzen, die ihm die allererfreulichsten Erwartungenfür die Zukunft eröffnete. Kugler ist es auch, der 1847 große Aus-gaben aus der vaterländischen Geschichte als das Ziel von MenzelsKnust hinstellte. Er wird auch an dem Freunde nicht irre, alsdieser seiner Ansicht nach die Naivetät ins Übermaß treibt, indemer den Einzug der Herzogin von Brabant von seinem Gesichtspunktmalt, nämlich von dem eines körperlich zu kurz Geratenen im Volks-gedräuge, also hinter einer Reihe derber Rücken, Köpfe und Hüte,lind die letzten Worte, die Kugler über Meuzel schrieb, lauten:Art läßt eben nicht von Art. Einer, der wirklich Künstler ist, mußschon ein Künstler bleiben, auch wenn er ein kritisches Kostümwerkliefert. Uud hat er sich, wie Adolf Menzel , so ganz in diese Welteingelebt, so muß auch das scheinbar Trockene unter seiner Handwieder von charakteristisch individuellstem Lebeu erfüllt werden!

Das Trockenste aber erschien jener Zeit das eigene Dasein, dieGegenwart. Kein Wunder, daß Menzel zu diesem fortschritt. Demischließlich sind wir alle in keine Zeit besser eingelebt, als in die,in der wir leben. Der Schritt zur Darstellung auch des 19. Jahr-hunderts, vollzog sich zu Anfang der sechziger Jahre in dem Bildeder Krönung König Wilhelms. Wieder ist es der Soldat, derSohn Friedrich Wilhelms III., der hier den Befehl erteilt, ein